Essen. . Regisseur Roland Emmerich legt mit Vorliebe Washington filmisch in Schutt und Asche. In seinem neuen Actionfilm „White House Down“ attackieren nun Terroristen statt Aliens das Weiße Haus. Als Retter des US-Präsidenten wird Channing Tatum in den Kampf geschickt.

In diesem Jahr lebt der Präsident der Vereinigten Staaten zumindest in den Fantasien Hollywoods extrem gefährlich. Vor einigen Wochen ließ Antoine Fuqua in „Olympus has fallen“ ein Blutbad im Weißen Hause anrichten. Nun legt Roland Emmerich, der dieses überaus symbolträchtige Gebäude schon in „Independence Day“ in Schutt und Asche verwandelt hat, mit „White House Down“ nach.

Während Fuqua klassische Feindbilder beschwört und eine ziemlich abstruse Bedrohung von außen konstruiert, entwirft Emmerich ein Szenario, in dem Amerika sich selbst sein größter Feind ist.

Der von Jamie Foxx gespielte Präsident James Sawyer hat eine Vision wie einst sein großer Vorgänger Abraham Lincoln. Er ahnt, dass die amerikanische Außenpolitik der vergangenen Jahre die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht hat, und will nun den entscheidenden Schritt zurück wagen: Ein Abzug aller amerikanischen Truppen aus der Nahost-Region soll den Weg für einen Friedensprozess frei machen.

Erinnerung an die Action-Stars der 80er- und 90er-Jahre

Erbitterte Gegner von Sawyers Politik geben sich daraufhin nicht mehr mit einem symbolischen Angriff auf seine Macht zufrieden. Sie attackieren gleich direkt das Weiße Haus und versuchen, den Präsidenten in ihre Gewalt zu bringen.

Nur haben diese von Waffenkonzernen gesponserten und von Männern aus dem innersten Kreis Washingtons unterstützten Rebellen nicht mit dem Polizisten John Cale (Channing Tatum) und dessen elfjähriger Tochter Emily (Joey King) gerechnet. So verwandelt sich dieser genau geplante Anschlag auf den liberalen Reformer Sawyer in eine idealistische „Stirb Langsam“-Variation.

Mit „White House Down“ kehrt Roland Emmerich nach „Anonymus“, seinem nicht sonderlich erfolgreichen Ausflug in die Welt Shakespeares, zu seinen Hollywood-Wurzeln zurück. Er setzt auf gradlinige Genrekunst. Die Kampf- und Actionsequenzen, in denen Channing Tatum und Jamie Foxx sich den Angriffen ihrer (rechts)radikalen Gegenspieler erwehren, sind zwar längst nicht so brutal und blutig wie die vergleichbaren Momente in „Olympus has fallen“, aber ihnen trotz allem nicht unähnlich.

Wie Antoine Fuqua setzt auch Emmerich auf einen fast schon klassizistisch anmutenden Action-Stil. Der mittlerweile auch schon nicht mehr ganz neuen Unübersichtlichkeit, die der pseudo-realistische Handkamera-Look der „Bourne“-Filme so populär gemacht hatte, erteilt er eine deutliche Absage.

Seine präzise choreographierten, immer den ganzen Raum im Blick behaltenden Kampfszenen und Schusswechsel setzen auf eine Körperlichkeit, die den modernen Actionspektakeln oft abhanden gekommen ist. Channing Tatum empfiehlt sich hier als Erbe der großen Actionstars der 80er und 90er Jahre.

Bizarrer Patriotismus ähnlich wie in „Independence Day“ und „Der Patriot“

Aber Roland Emmerich schließt mit diesem Untergangsszenario zugleich auch an „Independence Day“ und „Der Patriot“, seine anderen großen Kinoträume von Amerika, an. Wie sie ist auch „White House Down“ von einem bizarren Patriotismus erfüllt, der aber nicht der amerikanischen Realität verpflichtet ist.

Emmerich huldigt noch einmal seiner Vision von Amerika und erträumt sich ein Land, das seinen einstigen Idealen von Freiheit und Gleichheit gerecht wird. Jamie Foxx mag sich Barack Obama als Vorbild für seine Figur auserkorenen haben. Doch dieser James Sawyer ist anders als der gegenwärtige amerikanische Präsident tatsächlich ein moderner Abraham Lincoln.

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Eines unterscheidet Emmerichs neueste Arbeit dann doch von seinen früheren Werken. In das Pathos, mit dem er den Kampf seiner Helden genregerecht überhöht, mischen sich immer wieder ironische Töne. So löst einmal ein besonders tief durch die Häuserschluchten Washingtons fliegender Kampfhubschrauber eine Verkehrskamera aus.

Und wenn eine Elfjährige schließlich in einer irrwitzigen Choreographie die amerikanische Flagge schwenkt, als sei der ganze Kampf ums Weiße Haus eine große Show, dann kommentiert Emmerich damit auch augenzwinkernd sein eigenes Amerika-Bild.

Wertung: 3 von 5