Essen. Beim Filmfestival in Cannes ist der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn für seinen Film „Only God Forgives“ ausgebuht worden. Die Gewaltausbrüche haben dem Publikum gar nicht gefallen. In der Tat zeigt das Werk nicht enden wollende Racheakte.

Als vor zwei Jahren der Däne Nicolas Winding Refn für „Drive“ den Regiepreis in Cannes bekam, da war dieser dänische Regisseur plötzlich der Liebling von allen. Man registrierte zwar die explosiven Ausbrüche von Gewalt in diesem Film, fand sie aber wohl genügend eingebettet in eine kraftvoll inszenierte, ungemein starke Geschichte. Wer jedoch zumindest einige von Refns bisherigen Filmen gesehen hatte, der hielt „Drive“ eher für den kommerziellen Ausrutscher eines Regisseurs, dessen Werke sonst eher wortkarg, manchmal rätselhaft, vor allem aber bilderstark wirken.

Insofern ist sein neuer Film „Only God Forgives“ im Prinzip nur eine Fortschreibung seines ganz eigenen Stils. Das Ergebnis waren in Cannes zornige Buhrufe und aus dem Saal hastende Zuschauer. Refn hat die von ihm immer schon geschätzte Präsentation von Brutalität nun auf eine Art und Weise kultiviert, die manch einer als nicht mehr konsumierbar erachten mag. Und in der Tat fällt es schwer, einem Polizisten dabei zuzuschauen, wie er einem an einen Sessel genagelten Gefangenen zuerst die Augen blendet, um sich danach mit einem spitzen Gerät über seine Ohren herzumachen.

Ein Mann, ein Gesichtsausdruck

„Only God Forgives“ ist ein Film, der nur abbilden, nicht aber ergründen will. Dessen karge Story nur ein Vorwand sein will, um eine nicht enden wollende Kette von Racheakten in Gang zu setzen. Und von dessen Protagonisten man nichts weiß, weil sie nur in den Szenen leben und den Mund selten öffnen. Bei Hauptdarsteller Ryan Gosling ist man am Ende sicher, dass er mit einem Gesichtsausdruck und weniger als zwölf Dialogzeilen ausgekommen ist.

Gosling ist der aus seiner Heimat geflüchtete Amerikaner Julian, der nun in Bangkok Mitbetreiber eines zwielichtigen Box-Clubs ist. Partner ist sein Bruder Billy, der aber gerade eine minderjährige Prostituierte vergewaltigt und getötet hat. Der Polizist Chang lädt daraufhin den Vater des Mädchens ein, sich ohne Zeugen und mit einem schweren Knüppel bewaffnet über den Mörder seiner Tochter herzumachen. Das Prinzip des „Auge um Auge“ wird von diesem Ordnungshüter noch in seiner ganzen blutigen Konsequenz befolgt.

Antikes Drama ist perfekt

Nun rauscht die Mutter der beiden flüchtigen Söhne (auf Blond getrimmt: Kristin Scott Thomas) aus den Staaten heran, um Blutrache für den Tod ihres Sprösslings einzufordern. Der Auftritt dieser kaltschnäuzigen Chefin einer kriminellen Organisation macht das antike Drama perfekt, das Refn hier vorgeschwebt haben mag. Julian jedenfalls, von der Mutter immer schon für nicht ganz voll genommen, hat erst überhaupt keine Lust, der Aufforderung nachzukommen. Doch Changs unerbittliche weiterführenden Aktionen zwingen den stillen Betrachter doch zum Handeln.

Handeln hört sich gut an, muss aber relativiert werden. Refns filmischer Rhythmus besteht hier aus einem Wechsel aus stummem Starren und der sich daraus entwickelnden bedächtigen Aktion. Oder, im Falle des thailändischen Polizisten, aus dem Absingen von Karaoke-Liedern, um danach zum blutigen Handwerk zurückzukehren. Nicht umsonst ist die Farbe Rot in fast all diesen klaustrophobischen Räumen gegenwärtig, manchmal schrecklich dominierend.

Manche finden jene Szene am unerträglichsten, in der Julian seiner toten Mutter den Bauch öffnet, um mit der Hand an seinen Ursprung zurückzukehren. Tatsächlich zeugt dieser Moment von einer großen Einsamkeit und Ratlosigkeit. Der Betrachter dieses verstörenden Films kann das endlich einmal gut nachempfinden.


Wertung: 2 von 5