Essen. Regisseur Brad Anderson stellt in seinem Thriller “The Call“ die Mitarbeiterin einer Notrufzentrale in den Mittelpunkt. Jordan, verkörpert von Hollywood Star Halle Berry, unterläuft ein dummer Fehler, den ein kleinen Mädchen mit seinem Leben bezahlen muss. Später bekommt sie eine neue Chance.

Im Genre des Polizeifilms ist schon so ziemlich alles ausprobiert worden, um dieser Gattung des Spannungsfilms immer wieder neues Leben einzuhauchen. Dem Rezensenten ist jedoch bisher kein Film bekannt, in dem es je um die Männer und Frauen in der Notrufzentrale gegangen wäre. Dabei sind gerade sie es, für die jedes neue Gespräch auch ein neues Drama bedeutet.

Sie sind es, die völlig aufgelösten Mitbürgern die rudimentären Angaben entlocken müssen, die Schüsse und Schreie hören und danach manchmal auch Totenstille. In „The Call“ von Regisseur Brad Anderson spielt Halle Berry einen dieser „Operator“ für das Gebiet Los Angeles, den ein einziger Anruf völlig aus der Bahn wirft.

Die Vergangenheit holt sie ein

Es meldet sich ein junges Mädchen, das sich allein im Haus der Eltern plötzlich einem Einbrecher ausgesetzt sieht. Jordan unterläuft bei diesem nervenaufreibenden Dialog nur ein kleiner dummer Fehler, der aber kostet dem Mädchen schließlich das Leben. Niemand macht der Beamtin hinterher einen Vorwurf, doch zerrissen von Schuldgefühlen wechselt Jordan aus dem „Hive“ (Bienenwabe) genannten Notrufcenter in den Ausbildungsbetrieb.

Aber natürlich kann sie der Vergangenheit nicht entrinnen. Als eine Anfängerin sich offensichtlich von einem Telefonat überfordert fühlt, übernimmt kurz entschlossen die Ausbilderin – und hat nun plötzlich in Gestalt von Casey (Abigail Breslin) wieder ein junges Mädchen an der Strippe, das gerade gekidnappt wurde und sich im Kofferraum eines Pkw mit unbekanntem Ziel befindet. Eine Schüppe gleich neben ihr jagt ihr Angst ein, denn sie sieht den Täter bereits ihr Grab ausheben. Der Zuschauer muss nicht lange raten, dass es sich beim Entführer um einen guten alten Bekannten von Jordan handelt.

Spannung trotz mittelmäßigem Drehbuch

Brad Anderson hat bereits in Filmen wie „The Machinist“ (mit einem völlig abgemagerten Christian Bale) oder „Transsiberian“ inszenatorisches Talent für die Thriller-Sparte spüren lassen. In „The Call“ nun schafft er das Kunststück, einem eher mittelmäßigen Drehbuch pulsierende Spannung abzutrotzen.

In langen Gesprächen zwischen Operator und Opfer erkämpft man sich gemeinsam erste Erkenntnisse über das unbekannte Fahrzeug und seine unbekannte Richtung. Man entwickelt Möglichkeiten, wie das Opfer sich nachfahrenden Autos bemerkbar machen könnte. Und muss schließlich hilflos mitanhören, wie der Täter einen misstrauisch gewordenen Verkehrsteilnehmer einfach erschlägt.

Über weite Strecken macht „The Call“ das Kino zu einem Ort quälender Klaustrophobie. Jordan kann sich nicht vom Fleck rühren, weil sie sonst fürchten müsste, den Kontakt mit Casey zu verlieren. Und Casey ist derart eingepfercht in einem Kofferraum, dass man auch als Zuschauer schnell Beklemmung verspürt. Obwohl Kameramann Thomas Yatsko alles tut, um aus diesem engen Gefängnis so etwas wie eine eigene kleine Welt zu machen.

Beim großen Finale jedoch ist alles anders. Da muss Jordan endlich selbst aktiv werden, weil der Täter mit seinem Opfer den Wagen inzwischen verlassen hat. Die Frau für Notrufe erinnert sich an den Fundort jener Mädchenleiche, deren Schicksal noch immer schwer auf Jordan lastet. Und dort in der Einsamkeit, weitab von allem, bekommt sie endlich die Möglichkeit zum großen Showdown.

Puristen mögen bemäkeln, dass dadurch die Magie des Stillstands verloren geht. Aber auch sie müssen letztendlich die Gesetze Hollywoods akzeptieren: Eine inzwischen zur Heldin gereifte Frau muss auch agieren dürfen. Und sei es am Ende auch nur deshalb, um als Stellvertreterin des Publikums diesen Serienkiller mit seinen platt angehefteten Motiven unschädlich zu machen.

  • Wertung: drei von fünf Sternen