Essen.. Seit 1937 gibt es beim Oscar die Sparte mit den besten Nebendarstellern. Was anfangs noch gut zu trennen war, fließt inzwischen ineinander. Christoph Walz und Philip Seymour Hoffman sind Beispiele für Nebendarsteller, die ihre Filme eigentlich dominieren.
Wer an Quentin Tarantinos „Django Unchained“ denkt, der sieht sofort Christoph Waltz vor sich. Der Österreicher, von Tarantino endlich für den Weltmarkt entdeckt, glänzt in diesem Film als Kopfgeldjäger Dr. King Schultz, der seinen Wagner kennt und so großen Wert auf genaue Aussprache legt.
Waltz stiehlt jede Szene, der er habhaft werden kann, und er hat viele Szenen, denn er steht vom Anfang bis fast zum Ende im Zentrum der Handlung. Mehr noch: Er ist die treibende Kraft, die dem ehemaligen Sklaven Django den Weg zu seiner verschollenen Ehefrau zeigt. Eine derartige Leistung wird von der US-Film-Academy nicht übersehen. Bei der Verleihung der Oscars in der Nacht zu Montag ist Waltz natürlich nominiert – allerdings als Bester Nebendarsteller.
Jamie Foxx bleibt lange passiv
Die aktuelle Oscar-Verleihung zeigt noch deutlicher als in den Vorjahren, dass der Begriff „Nebendarsteller“ im aktuellen amerikanischen Film sehr oft einfach nicht mehr greift. Als Hauptdarsteller gilt in der Regel, wer als erster auf der Leinwand erwähnt wird. Und das ist bei „Django Unchained“ nun einmal Titelheld Jamie Foxx, der allerdings bis zum blutigen Finale vorwiegend passiv agiert und an dem das Aufregendste diesmal seine smarte Sonnenbrille ist. Foxx taucht denn auch in der Sparte Bester Hauptdarsteller gar nicht erst auf.
OscarsCharismatischer Menschenverführer
Apropos Titelheld: In „The Master“ von Paul Thomas Anderson ist das zweifellos Philip Seymour Hoffman, der als Lancaster Dodd hier der Herr über eine Glaubensgemeinschaft mit dem Titel „The Cause“ ist. Hoffman ist ein wunderbarer Charakterdarsteller, und aus diesem Dodd, der sich selbst als Gemengelage aus Autor, Arzt, Wissenschaftler und Philosoph versteht, macht er einen charismatischen Menschenverführer. Müssen wir noch extra betonen, dass auch er eine Nominierung als bester Nebendarsteller bekommen hat? Als Hauptdarsteller fungiert hier Joaquin Phoenix. Er ist Freddie, ein alkoholkranker Kriegsheimkehrer, der von Dodd eingesammelt und zu seinem Hofhund gemacht wird. Für ihn immerhin gibt es auch eine Nominierung für die Königsklasse, vielleicht weil kein anderer Schauspieler zuvor die Worte derart unverständlich aus dem Mundwinkel hat tropfen lassen.
Filmpreis Das Zentrum des Films wird verfehlt
Es ist nicht zu übersehen, dass die Academy mit den herkömmlichen Kategorien immer öfter das Zentrum eines Films verfehlt. Als 1937 erstmals die Sparte für Nebendarsteller eingerichtet wurde, da war die Filmwelt noch klar gegliedert. „Supporting Actors“, wie die Kategorie im Original heißt, das waren damals in der Regel Schauspieler, die ohnehin so gut wie nie in Hauptrollen besetzt wurden. Das änderte sich jedoch bereits bald, als Namen wie Anthony Quinn oder Peter Ustinov auftauchten, die allerdings auch tatsächlich in Nebenrollen eingesetzt waren. Erste Schwierigkeiten zeigten sich, als man 1976 einen der beiden „Sunny-Boys“, Walter Matthau oder George Burns, auf die Nebenspur setzen musste. Vermutlich erwürfelte man Burns’ Oscar.
Das Problem wird drängender
Je näher wir der Gegenwart kommen, umso drängender wird das Problem. Der Batman-Film „The Dark Knight“ lebt vor allem durch die prägende Darstellung des Joker durch Heath Ledger (natürlich: Bester Nebendarsteller), weniger durch den sauertöpfischen Christian Bale als dunkler Ritter der Nacht. In „No Country For Old Men“ laufen so viele Männer herum, aber keiner hinterlässt einen solch tiefen Eindruck wie Javier Bardem als psychopathischer Auftragskiller. Klar, Nebenrolle.
Wie wenig Leinwandzeit es im übrigen braucht, um noch als Nebendarsteller nominiert zu werden, zeigt der aktuelle Fall von Anne Hathaway in der Musical-Verfilmung „Les Misérables“. Großzügig gerechnet ist sie 15 Minuten präsent, singt ein starkes Abgangslied – und stirbt.