Essen. . Konzentrierte Kampfkunst, eingebettet in eine stellenweise unkonzentrierte Story: In Wong Kar-Wais neuem Kung-Fu-Epos „The Grandmaster“ feiert Hongkongs Regiestar die fernöstliche Kampfkunst in poetischen Bildern. Bei der Geschichte allerdings muss der Zuschauer immer wieder die Fäden entwirren.
Großmeister trifft Großmeisterin: 1936, am Vorabend der japanischen Invasion in China, begegnen sich zwei charismatische Kung-Fu-Kämpfer. Die schöne Gong Er fordert den legendären Ip Man heraus, doch ihr Kampf kennt keinen Sieger. Der Magnetismus der Liebe ist stärker als das Gemetzel der Handkanten.
Konzentrierte Kampfkunst, eingebettet in eine stellenweise unkonzentrierte Story: In Wong Kar-Wais neuem Kung-Fu-Epos „The Grandmaster“ feiert Hongkongs Regiestar die fernöstliche Kampfkunst in poetischen Bildern. Bei der Geschichte allerdings muss der Zuschauer immer wieder die Fäden entwirren: Die Handlungsstränge zerfransen in einer oft unübersichtlichen Erzählung über Liebe und Rache, Familienclans, japanische Besatzer und chinesische Kollaborateure.
Wong Kar-Wais zweistündige Verbeugung vor der Tradition der großen chinesischen Kung-Fu-Schulen hat dieses Jahr die Berlinale eröffnet – der Regisseur war gleichzeitig Jurypräsident. Der 54-Jährige, der am liebsten mit dunkler Sonnenbrille auftritt und prinzipiell nachts dreht, zog als Kind mit seiner Familie aus Shanghai nach Hongkong.
Nach einem Grafikdesignstudium wechselte er ins Regiefach: 1988 kam sein Debüt („As Tears Go By“) in die Kinos, 1997 wurde er bei den Filmfestspielen von Cannes als bester Regisseur für „Happy Together“ geehrt. Neun Jahre später kam Wong Kar-Wai als Jurypräsident nach Cannes. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Chungking Express“ und „In The Mood For Love“.
Eine Verbeugung vor der Tradition der chinesischen Kung-Fu-Schulen
Wong Kar-Wais ästhetisch glanzvoller Martial-Arts-Beitrag „The Grandmaster“ erzählt die Lebensgeschichte des Kung Fu-Meisters Ip Man (1893 – 1973), der einst auch Bruce Lee das Kämpfen beibrachte. Tony Leung, einer der bekanntesten Stars des Hongkong-Films, spielt Ip Man: Der Großmeister mit den aufgeräumten Gesichtszügen eines fernöstlichen Philosophen schlägt sich durch Kampfszenen, die mal leinwandbreites Knochenbrechen, mal intimes Kammerspiel sind.
Ein Hochgenuss für Martial Arts-Fans, zumal mit der jungen Kämpferin Gong Er (Ziyi Zhang) eine Großmeisterin auftaucht, die mittels der „64-Hände-Technik“ ihre Gegner sehr dekorativ zur Strecke bringen kann.
Zweikämpfe und Massenszenen im Sturzregen oder im Tiefschnee, an der Bahnsteigkante oder im Treppenhaus: Wong Kar-Wai bereichert das alte Genre mit prachtvollen neuen Bildern und eleganten Choreographien – mal pathetisch, mal melancholisch temperiert. Doch der Film will mehr. Das Epos atmet Geschichte: China unter der japanischen Okkupation, Bürgerkrieg, Maos Kulturevolution – die gesellschaftlichen Kämpfe liefern das historische Hintergrundrauschen und würfeln die Kontrahenten immer wieder neu zusammen.
Liebe gerät unter die Räder der Kriegswirren
Die Liebe zwischen den beiden Großmeistern Ip Man und der schönen Gong Er blitzt auf und gerät unter die Räder der Kriegswirren. Die eigentlichen Kämpfe jedoch finden nicht zwischen Japanern, Chinesen und Kollaborateuren statt, sondern zwischen den Handkanten der Kung-Fu-Meister und ihrer Neider. Gerne mal in Zeitlupe, und immer mit Ehrenkodex und passender Spruchweisheit.
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Nach der Uraufführung von „The Grandmaster“ bei der diesjährigen Berlinale waren die Kritiker überwiegend skeptisch. Zu nostalgisch, zu verklärt werde die Lebensgeschichte von Ip Man erzählt. Die spektakulären Kampfszenen dagegen seien zwar überwiegend schön anzusehen, aber zu emotionslos in die Story eingebunden. Tatsächlich sind in Wong Kar-Wais „Grandmaster“ die Guten und die Bösen leicht zu unterscheiden. Doch trotz dieser klaren Etikettierung hat es der Zuschauer schwer, mit den wortkargen, ehrwürdigen Kung-Fu-Helden warm zu werden. Sie reden eben lieber mit den Händen.
Wertung: 3 von 5