Essen. Vor der Küste von New Orleans leben die Menschen im Einklang mit der Natur. Selbst wenn diese ihnen böse mitspielt. Wie in „Beasts of the Southern Wild“: In Benh Zeitlins Debütfilm glänzt die sechsjährige Hauptdarstellerin Quvenzhané Wallis.

Wer das Kino betritt, um diesen Film zu sehen, der gibt ein Stück Orientierung auf. Denn der Debütfilm „Beasts of the Southern Wild“ von Benh Zeitlin spielt an einem Ort, wo die Grenze zwischen Wasser und Land fließend ist, wo man selbst als Zuschauer manchmal meint, nasse Füße zu bekommen. Der Ort heißt bezeichnenderweise „Bathtub“ (Badewanne) und ist eigentlich kein Ort, mehr eine Art Anhäufung von Sperrmüll, aus dem hier und da so etwas wie kleine Behausungen herausragen. Wir befinden uns vor der Küste von New Orleans, wo Bathtub einen schutzlosen Außenposten weit vor den eigentlichen Dämmen abgibt.

Es gibt viele Ereignisse in diesem kleinen Film, dessen Ruf bereits seit Monaten aus den USA zu uns herüberschallt. Die Menschen hier zum Beispiel, die eine Schicksalsgemeinschaft gebildet haben, die nichts mehr erschüttert. Was soll die nächste Sturmwarnung sie auch noch beunruhigen, wo ihr Hab und Gut doch oft genug schon das Schwimmen gelernt hat. Einige haben ihre kleinen Häuser bereits wie Archen gebaut, um beim nächsten Wasser einfach nur noch mitzugleiten.

Die kleine Hushpuppy fängt Fische mit bloßen Händen

Das eigentliche Ereignis aber ist die sechsjährige Hushpuppy, ein Gewächs dieser Umgebung und ihrer Mythen. Sie lebt hier allein mit ihrem Vater Wink, der sie das Überleben lehrt, dessen von Fusel und Hitze gesteuerten Launen aber derart oft wechseln, dass man an emotionale Achterbahnfahrten denkt. Die Mutter sei irgendwann mal „davongeschwommen“ (was auch sonst?), was die Tochter gelegentlich zum Träumen bringt.

Hushpuppy ist vielleicht nicht das ungewöhnlichste Kind, das die Leinwand bisher hervorgebracht hat, aber bei weitem das interessanteste. „Bathtub“ beispielsweise hält sie für den schönsten Flecken in einer Welt, die sie sich wohl nie aufschließen kann. In allem eins mit der Natur um sie herum fängt sie Fische mit bloßen Händen und glaubt fest, dass Tiere mit ihr über Codes kommunizieren. Das Füttern der Schweine ist es dann wohl auch, das in ihr die Vorstellung von vier apokalyptischen Wildschweinmonstern freisetzt, die bei dem Zerfall der Gletscher in der Arktis freigekommen sind und nun über Land ziehen.

Der Regisseur hat fast ausschließlich mit Laien gearbeitet

Hushpuppy wird gespielt von Quvenzhané Wallis, einer jungen Blüte aus den Bajous von Louisiana, die beim Casting für diesen Film erst fünf Jahre alt war und bis dahin noch nie vor einer Kamera gestanden hatte. Vielleicht wirkt sie gerade deshalb so authentisch. Sie ist im übrigen in guter Gesellschaft, denn Regisseur Benh Zeitlin hat hier fast ausschließlich mit Laien gearbeitet. Dwight Henry beispielsweise, der Hushpuppys Vater verkörpert, ist eigentlich Bäcker und möchte das bei einer Frau und fünf Kindern auch gern bleiben.

Für einen kurzen Augenblick aber haben sie sich vor der Kamera mit anderen zusammengetan, um ein Stück Wahrhaftigkeit ins Kino zu bringen. Wir sehen lockere Menschen, die jeden Sturm regelmäßig mit einer Party willkommen heißen, die so nah mit Mutter Erde verbunden sind, dass man sie mit Fug und Recht als Gewächs dieser Gegend bezeichnen kann. Solche Menschen lassen sich nicht einfach aus Sicherheitsgründen verpflanzen, wie es die Regierung hier ausprobiert, die versuchen schon eher an Ort und Stelle zu überleben. Wenn’s sein muss, dann auch auf einem Floß als Manifest der Gemeinsamkeit.

Gefilmt ist das alles aus der Augenhöhe von Hushpuppy: Man will sich schließlich nicht über seine famose, unverzichtbare Hauptdarstellerin erheben.