Essen. . Johnny Depp und Tim Burton, das ist ein eingespieltes Gespann. Seit „Edward mit den Scherenhänden“ hat Depp an sieben Filmen des Filmzauberers mitgewirkt. „Dark Shadows“, der nun eine alte TV-Serie aus den Sechzigern wieder reanimiert, ist die Nummer acht.

Es gibt wenige Regisseure, deren Filme man auf Anhieb erkennen kann, weil ihnen ein ganz bestimmter Look innewohnt. Tim Burton ist vielleicht der Signifikanteste, denn seine Arbeiten sind zumeist gekennzeichnet durch morbide Atmosphäre, grelle Charaktere, berauschende Kostümierung und ungewöhnliche Schauplätze.

Seine Filme spiegeln den Konsum unzähliger Comic-Strips und B-Movies, wobei das Triviale in seinen Händen zur feinen Kunst gedeiht. Sein neuer Film „Dark Shadows“ (ab Donnerstag im Kino) basiert auf einer „Gothic Soap Opera“, die von 1966 bis 1971 täglich im US-Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Vampir in einer Seifenoper

Das war damals nicht wenig wagemutig, denn einen Vampir als Hauptfigur einer Seifenoper, das hatte es bis dato noch nicht gegeben. Barnabas Collins heißt dieser untote Blutsauger, der sich nach rund 200 Jahren plötzlich wieder in der Lage sieht, Anschluss an seine Sippe zu suchen.

Zwei Jahrhunderte, seit ihn die Hexe Angelique Bouchard aus enttäuschter Liebe in einen Vampir verwandelt hatte, lag er gut verschnürt unter der Erde. Nun haben Bauarbeiter den ausgehungerten Beißer 1972 per Zufall aus seinem Gefängnis befreit – und müssen dafür bluten.

Überall wirkt der Satan

Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet Johnny Depp dieses aristokratisch auftretende Nachtwesen verkörpert. Der Schauspieler ist quasi zu einer Inkarnation des Burton’schen Kosmos geworden, angefangen einst als „Edward mit den Scherenhänden“ und zuletzt noch zu sehen als Mad Hatter in „Alice im Wunderland“.

Nun ist er Barnabas, der mit seinen pechschwarzen Haarsträhnen auf der Stirn an einen Bastard aus der Vereinigung von Addams Family und Marilyn Manson erinnert. Die Konfrontation mit den Siebzigern stürzt ihn derart in Verwirrung, dass er in jeder Unerklärlichkeit, seien es Autolichter oder McDonald’s Leuchttafeln, das Wirken Satans vermutet. Einen Fernseher, der gerade eine Show mit den soften Carpenters überträgt, ruiniert er, weil er die „kleine Sängerin“ darin befreien möchte. Burton zelebriert die Komik, die aus diesem Kulturschock resultiert, mit spürbarer Lust. Und Johnny Depp pflegt seine geschliffene Umgangssprache von 1722 derart hingebungsvoll, dass man diesen Vampir glatt ins Herz schließen möchte, obwohl er hier und da über Leichen geht.

Dem Verfall überlassen

Was Barnabas dann aber im Familienstammsitz Collinwood Manor/Maine vorfindet, entzückt ihn weniger. Der schlossähnliche Bau ist dem Verfall überlassen. in den wenigen benutzbaren Zimmern hausen die Matriarchin Elizabeth (Michelle Pfeiffer), ihre Tochter Carolyn, ihr nichtsnutziger Bruder Roger (Johnny Lee Miller), dessen Sohn David und die Psychiaterin Dr. Hoffman (Helena Bonham Carter) mit Ein-Mann-Personal. Die neue Nanny Victoria (Bella Heathcote), muss Barnabas beglückt feststellen, scheint ein Abbild seiner alten Liebe Josette zu sein.

Und als solle bewiesen werden, dass Liebe und Hass die Jahrhunderte überdauern können, taucht auch Hexe Angelique (Eva Green) wieder auf, diesmal als Konkurrentin der Familie Collins im darbenden Fischereigeschäft.

Amerikanische TV-Ästhetik

Wer im Zusammenhang mit den Siebzigern die üblicherweise mit diesem Jahrzehnt assoziierten grellen Farben erwartet, wird enttäuscht. Burton nähert sich mit seinen Bildern stattdessen jener amerikanischen TV-Ästhetik an, die gerade in dieser Zeit eher fahl wirkte und ihre spezielle Kleiderordnung hatte – die Rollkragenpullover, die Roger trägt, sind symptomatisch. Noch heute sieht man diese Programme in den Wiederholungsschleifen der Privatsender. Dort kann man sich davon überzeugen, wie sorgfältig Burton den Geist jener Jahre eingefangen hat.