Essen. Vampir-Klamauk hoch vier: Eine halbe Woche vor dem offiziellen Kinostart von „Breaking Dawn“ hat das Cinemaxx Essen alle vier Twilight-Teile in einem Quattro hintereinander gezeigt. Volontärin Sophia Schauerte war neun Stunden lang dabei. Ein Erfahrungsbericht.
Um es vorweg zu nehmen: Ich gebe es zu. Ich habe sie alle gelesen. Nach dem ersten Twilight-Band hatte ich Blut geleckt. Und auch die Filme habe ich gesehen. Allesamt im Kino. Freiwillig. So gesehen bin ich schon eine Art Fan. Aber ein gemäßigter, das will ich betonen. Denn zum Deutschlandstart von „Breaking Dawn“ alle Teile in einem Quattro nonstop hintereinander weg zu gucken - so hartgesotten wäre ich normalerweise nicht.
Doch es gibt genügend Twilight-Fans, die so extrem sind. Das stelle ich fest, als ich am Sonntagmorgen um halb zehn im Cinemaxx Essen aufschlage. Das Foyer ist voll – gefüllt mit Frauen. (Sehr) jungen Frauen, um genau zu sein. Mit meinen 25 Jahren gehöre ich schon fast zu den ältesten Besuchern. Doch das versuche ich zu ignorieren. Auch Männer sind absolute Mangelware: Nur vereinzelt taucht ein maskulines Gesicht im femininen Gewusel auf. So wie das von Nick Hartmann (20) aus Gladbeck. Zusammen mit vier jungen Damen macht er es sich in Saal neun gemütlich. „Absolut freiwillig“, wie er sagt. „Ich hab gesagt, du darfst mit, musst aber nicht“, erinnert ihn seine Freundin Chantal Peisker (19) aus Essen. So gnädig sind sie, die Frauen von heute…
Kreischen und Johlen für Jacob
Kurz vor Filmbeginn füllt sich der große Saal. 338 Besucher – darunter gefühlte fünf Prozent männlich - machen es sich auf den roten Polstern bequem. Schnell fliegen die ersten Schuhe zur Seite und die Füße auf die Lehne des Vordersitzes. 115 Plätze bleiben leer. Neun Stunden Vampir-Klamauk mit Kitsch-Garantie ist einigen Fans vielleicht doch ein bisschen zu viel des Guten. Dennoch: Twilight ist der Renner. Allein an diesem Tag wird das Cinemaxx Essen insgesamt mehr als 1300 Karten für den neuen Biss-Film verkaufen. Und der Deutschlandstart kommt erst noch.
Nachdem die Fronten im Kinosaal geklärt sind („Wer gehört zum Team Edward – wer zum Team Jacob?“), geht es los mit dem Twilight-Marathon. Lautes Gekreische aus den vorderen Reihen, als der langhaarige Taylor Lautner zum ersten Mal über die Leinwand flimmert; nicht weniger lautes Gejohle von hinten, als der blassgesichtige Robert Pattinson erstmals in die Kamera grinst. Ich juble übrigens für keinen der beiden. Und auch die 14-jährige Maren Lindner aus Gelsenkirchen neben mir vertraut mir an: „Ich kann mit den beiden Jungs auch nichts anfangen.“ Ganz anders ihre Freundin Kira Jensoewsky (15): „Ich bin für Jake!“
Die Ersten schlummern
Vorerst aber ist es Edward, der die Zuschauerinnen in Ekstase versetzt: Mit einem lang gezogenen „Ohhhhh“ quittieren sie sein „Bella, du gibst mir schon alles, indem du atmest“, das er ihr am Anfang von New Moon ins Ohr säuselt. Schnulzalarm! Die Teenies schmelzen dahin wie Schokolade in der Sonne. Und ich hoffe sehr, dass sie im realen Leben niemals ernsthaft eine solche Liebeserklärung von einem Jungen erwarten… Doch schon schweifen meine Gedanken ab: Ich habe Hunger. Neben mir erstickt eine Frau fast am Popcorn. Deshalb verwerfe ich den Gedanken, mich ebenfalls mit Puffmais einzudecken und packe stattdessen meine Butterbrote aus.
Inzwischen ist es 13 Uhr – und die Melancholie hat Einzug auf der Leinwand gehalten. Edward hat Bella sitzen lassen und die Verlassene dreht für meinen Geschmack etwas zu sehr am Rad. Ich unterdrücke ein Gähnen und erinnere mich daran, dass ich das zweite Buch bzw. den zweiten Film schon immer am schwächsten fand. Und anscheinend nicht nur ich: Hinter mir sind Chantal Peisker und ihr Freund Nick Hartmann doch tatsächlich eingeschlummert! Sie sind nicht die Einzigen. Doch mit dem friedlichen Schlaf ist es bald vorbei. Nämlich dann, als Bella vom Motorrad kippt und sich Jacob prompt das Shirt vom muskulösen Body streift: Kreischalarm! Na ja, er ist ja wirklich ganz nett anzusehen, der durchtrainierte Taylor Lautner…
Twilight - Breaking Dawn
Sixpack dank Airbrush
Um 14 Uhr ist der erste Kaffee fällig. Nach vier Stunden Kinosessel meldet sich so langsam auch der Rücken zu Wort und fordert klagend eine andere Haltung ein. Außerdem ist mir heiß – und das liegt bestimmt nicht an den halbnackten Wolfsjungen, die andauernd durchs Bild rennen. Noch weniger an Edward, der sich gerade das Hemd von der schneeweißen, behaarten Brust reißt, um die Volturi zu provozieren. „Das Sixpack soll übrigens mit Airbrush aufgesprüht sein“, weiß Sitznachbarin Maren aus der Bravo. Mit dem Gedanken daran, wie lange es schon her ist, dass ich zum letzten Mal eine Bravo in der Hand hatte, endet der zweite Biss-Film. Halbzeit! Die Pause nutze ich für eine erfrischende Abkühlung an der winterlichen Luft.
Mit aufgefülltem Sauerstoff-Speicher geht es zurück in den Kinosaal, wo Eclipse direkt mit Action aufwartet. Doch die nächsten Müdigkeitserscheinungen lassen nicht lange auf sich warten: Das ewige Vampir- und Werwolf-Gehetze im Wald tut meinen Augen weh. Und die testosterongeladenen Eifersüchteleien zwischen Edward und Jacob zerren so langsam etwas an meinen Nerven. Ob es anderen vielleicht auch so geht? „Ich finde den Film gut“, höre ich auf Nachfrage von rechts und links. „Nicht nur Liebe und Schnulz, sondern auch Action“, so die Begründung. Stimmt ja auch. Aber allein für sich hatte mir der Film damals besser gefallen. Die Werwölfe und Vampire in meinem Kopf fahren schon Achterbahn.
OP gelungen, Patient (un-)tot
Und trotzdem vergeht die Zeit wie im Flug. Um 17.40 Uhr dann der Höhepunkt des Tages: In geschwungenen Lettern flimmert „Breaking Dawn“ über die Leinwand. Der Saal jubelt, die Stimmung ist aufgeheizt. Und auch ich lasse mich von der Vorfreude auf den neuen Film anstecken.
Nach Hochzeit und Liebesnacht aber ist es flugs vorbei mit den netten Filmmomenten. Okay, das war angesichts der Romanvorlage wohl auch nicht anders zu erwarten. Als die ausgemergelte Bella ihrem ungeborenen Vampir-Baby zuliebe einen ganzen Becher Blut trinkt, wird jedenfalls nicht nur Jacob übel. Und die anschließende Geburtsszene hätte locker aus einem Horrorfilm stammen können. Wenigstens bin ich nicht die Einzige, die mit aufgerissenen Augen auf die Leinwand starrt.
Irgendwie bin ich dann auch ziemlich froh, dass das ganze Spektakel um 19.30 Uhr vorüber ist. OP gelungen, Patient (un-)tot – Fortsetzung folgt im zweiten Teil. Den werde ich mir sicherlich ebenfalls im Kino ansehen – um ihn richtig genießen zu können aber garantiert nicht im Fünferpack! So viel steht nach gut neun Stunden Twilight-Marathon fest.