Essen. . Die Franzosen haben es gut. Die schicken mal kurz eine Pariser Clique in die Ferien ans Meer und haben gleich den schönsten Beziehungsreigen. Regisseur Guillaume Canet zeigt dabei eine große Liebe zu den Figuren und lässt den Rotwein in Strömen fließen.

Die Franzosen haben es gut. Die schicken mal kurz eine Pariser Clique in die Ferien ans Meer und haben gleich den schönsten Beziehungsreigen. Regisseur Guillaume Canet zeigt in “Kleine wahre Lügen“ eine große Liebe zu den Figuren.

Kleine Lügen erhalten die Freundschaft. So hält man es in der Pariser Clique, die Schauspieler und Regisseur Guillaume Canet in seinem neuen Film „Kleine wahre Lügen“ in die Sommerferien schickt. Wer will schon wirklich wissen, warum die bildschöne bisexuelle Ethnologin Marie (Marion Cotillard) mit ihrer Bindungsangst pausenlos bis in den afrikanischen Urwald flüchtet? Wer will dem Mittdreißiger Antoine schon erklären, dass er für sein teenagerhaftes Liebeskummer-Lamento nun wirklich zu alt ist? Wer bezahlt für ein paar Tage entspannter Ruhe nicht gern mit falscher Rücksicht?

Sind ja Ferien. Blauer Himmel, laue Meeresbrise und Rotwein in Strömen. All das serviert Canet zum unterhaltsamen Selbstfindungs-Trip mit Austernschlemmen. Die Franzosen liebten diesen Film und machten ihn 2010 zum erfolgreichsten Streifen des Jahres.

Am Donnerstag kommt „Kleine wahre Lügen“ nun in die deutschen Kinos. Ein locker-leichter, nachdenklich-heiterer Sommerfilm, der manchmal von Ferne an französische Altmeister wie Eric Rohmer und Claude Sautet erinnert; mit zweieinhalb Stunden Laufzeit allerdings auch etwas prätentiös und mitteilsam daherkommt. Aber es spiegelt wohl weniger die künstlerische Eitelkeit als die große Liebe zu diesen Figuren und diesem Film, den Canet als seinen bisher persönlichsten bezeichnet.

Ist alles sehr schön anzusehen

Nun mangelt es nicht an Filmen von Um-die-Dreißigern, die mit etwas hadern: den Zukunftsperspektiven, der Karriere, dem Partner, dem Sex. Auch Guillaume Canet weiß dem bekannten Problemfeld wenig Neues hinzufügen. Aber schön ist es doch anzusehen, wie die August-Sonne über dem Cap Ferret hier wie ein Brennglas wirkt, das den Schutzpanzer der Menschen aufbricht, die sich mit Selbstbetrug eingesalbt haben wie mit Schutzfaktor 50.

Dabei hat Canet die größte Freundschafts-Prüfung gleich an den Anfang gestellt. Ludo, der seit Jahren zur unbeschwerten Pariser Clique gehört, verunglückt bei einem Verkehrsunfall. Die Freunde versammeln sich um sein Krankenbett, sind bestürzt und werden sich schnell einig: Was sind schon zwei Wochen Ferien! Was hilft es dem Schwerverletzten, wenn alle auf Urlaub verzichten! Man kann ja nicht helfen. Ludo hätte es nicht anders gewollt.

Axt im Feriendomizil

Den süßen Sound der Selbstbeschwichtigung beherrschen Canets sympathisch-selbstverliebte Großstadtmenschen so perfekt wie das hohe Lied der Problemverdrängung. Eric (Gilles Lellouche) zergeht vor Verlassens­angst und spielt doch unbeirrt die Rolle des Schwerenöters. Vincent (Benoit Magimel) hat Frau und Kind und muss sich irgendwann eingestehen, Gefühle für den reichen Unternehmer Max zu haben.

Max (als Choleriker zum Knutschen: Francois Cluzet) greift schon zur Axt, wenn im Feriendomizil die Marder rumoren. Und ein bisschen Dankbarkeit von der Bagage, die er jedes Jahr auf seiner Sommerresidenz durchfüttert, könnte seiner Meinung nach auch nicht schaden.

Komische Kollisionen

Viele kleine komische Kollisionen und natürliche die eine große ernsthafte Frage nach dem Sinn. Canet überrascht dabei nicht nur mit dem Versuch, acht beinahe gleichwertige Charakter nebeneinander zu stellen, die doch alle mehr oder minder Kontur gewinnen.

Er skizziert mit seinen fast beiläufigen, dem Leben abgehörten Dialogen sogar in den manchmal etwas konstruierten Konflikt-Szenen Menschen, denen man beim Selbstzweifeln gerne zuschaut. Und das nicht nur, weil die Sonne scheint und sich die zauberglänzenden Atlantikaugen von Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard dabei so wirkungsvoll ins Rotweinglas versenken.