Essen. . Der Titel des Films sendet bereits eine Botschaft: „Was du nicht siehst“. Der Zuschauer sollte bei Wolfgang Fischers Psychodrama also darauf vorbereitet sein, dass hinter den Bildern des Films eine ganz andere Wahrheit verborgen liegt.

Psychospannung steht kaum einmal auf der Angebotsliste des deutschen Filmschaffens. Es bedurfte schon eines österreichischen Regiedebütanten, dass nun immerhin eine Ausnahme im Spiel zu vermelden ist. Wolfgang Fischers „Was du nicht siehst“ entführt die Zuschauer in einen Leinwandalptraum von verstörender Schönheit – und lässt sie dann ratlos zurück.

Verwöhnt und etwas verstört, das ist der 17-jährige Anton (Ludwig Trepte), der zusammen mit seiner reichen Mutter Luzia (Bibiana Beglau) und ihrem Liebhaber Paul (Andreas Patton) im Spätsommer einen Ferienausflug zu einem Haus an der bretonischen Küste unternimmt.

Widerstreit der Gefühle

Hier macht er die Bekanntschaft mit dem jungen Pärchen David und Katja (Frederick Lau und Alice Dwyer), das Anton sehr bald in einen Strudel von Sinnlichkeit und Gewaltbereitschaft verwickelt.

Der Versuch der Erwachsenen, in diesen Widerstreit der Gefühle des Jungen regulierend einzugreifen, bleibt ohne Erfolg. Und damit wird auch der Zuschauer immer tiefer in einen dramaturgischen Sog der Unschlüssigkeit gerissen, weil sich partout keine Klarheit im Sinne des Genrekinos amerikanischer Prägung einstellen mag.

Am Ende steht die Ernüchterung

Ist der verzärtelte Ludwig ein Opfer freudianischer Verstrickungen, wenn er seine Mutter gegen deren Liebhaber abschirmt? Ist das geheimnisvolle Pärchen mit der sinnlich lockenden Alice Dwyer nur eine Projektion verdrängter Emotionen oder doch einfach nur ein Herumtreiberpaar, das sich ein böses Spiel erlaubt?

Der Film verweigert letztgültige Antworten, setzt lieber auf Verunsicherung unter Zuhilfenahme betörend schöner Landschaftsbilder und unheilvoll klingender Musik.

Man fühlt sich an das Kino des jungen Polanski erinnert oder an Antonionis „Blow up“. Beim Zuschauen steigt man auf in ein Traumkino von beachtlicher filmischer Finesse. Die Ernüchterung setzt mit dem Nachspann ein. Und jetzt?, möchte man fragen. Hollywood hätte eine Antwort parat gehabt, aber „Was du nicht siehst“ ist ein Film aus Europa.