Essen. . Regisseur Kenneth Branagh macht aus „Thor“ ein augenzwinkerndes Spektakel zwischen Shakespeare und Richard Wagner. Und beweist, dass Superheldenfilme noch richtig Spaß machen können.

Unter den vielen Superhelden der Marvel Comics nimmt Thor eine Sonderstellung ein. Hier haben wir endlich mal keinen gebrochenen Wissenschaftler oder Idealisten, der unter der schweren Bürde seiner phantastischen Kräfte ächzt, sondern einen wahren Kerl von Gott aus der nordischen Mythologie. Thor ächzt mehr unter dem Verlust seiner Kräfte, denn wegen seines Ungehorsams und seiner aufbrausenden Art von Göttervater Odin auf die Erde verbannt, muss er sich hier vorerst ohne seinen wundersam mächtigen Hammer im menschlichen Alltag einleben.

Regisseur Kenneth Branagh, selbst ein Shakespeare-Darsteller von hohem Rang, hat sich mit derart viel Lust in das einst vom kreativen Superstar Stan Lee entwickelte Comic-Material eingelesen, dass man dem fertigen Film den Spaß an der Sache anmerkt. Was sich da zwischen der Erde und der irgendwo im Kosmos verankerten Götterstadt Asgard abspielt, das ist für Branagh ein großes augenzwinkerndes Spektakel, verortet irgendwo zwischen Shakespeare und Richard Wagner – und zwischen allen Spezialeffekten herrlich altmodisch in Szene gesetzt.

Chris Hemsworth als Titelheld Thor. Foto: Paramount
Chris Hemsworth als Titelheld Thor. Foto: Paramount © Zade Rosenthal Paramount

In Chris Hemsworth hat man einen Titelhelden gefunden, der immer irgendwie sympathisch wirkt, ob als aufbegehrender Sohn in Asgard oder als hilfloser Fremdling auf der Erde, der im Zoogeschäft wie selbstverständlich nach einem Pferd verlangt. Anthony Hopkins verkörpert seinen Vater Odin in etwa so, als stamme er aus einer Ring-Inszenierung Ende des 19. Jahrhunderts: ganz Statur im göttlichen Ornat, jeder Schritt ein Risiko. Was allerdings auch stimmt, denn Kameramann Haris Zambarloukos fotografiert die Heimstatt der Götter als einen schwebenden, offenen Be­reich, dem der Kosmos zu Füßen liegt. Wilde Wasser stürzen scheinbar ins Nichts, Brücken führen durch die reine Leere.

Ein neuer Krieg liegt in der Luft

Hier also wartet Thor als ältester Sohn Odins auf seine Ernennung zum Oberhaupt der göttlichen Gefilde. Sein Jähzorn aber verhindert das: Gegen Odins Willen sucht er mit seinen besten Freunden die Konfrontation mit den Frostriesen im Kaltbereich Jotunheim, die wieder einmal ungefragt in den Hoheitsbereich von Asgard eingedrungen sind. Ein neuer Krieg liegt in der Luft, was Odin derart erzürnt, dass er Thor vorerst nach Midgard verbannt, dem Götternamen für die Erde. Odins Sohn landet ausgerechnet in einem gottverlassenen Kaff im Süden der USA. Sein Hammer kracht zwar ganz in der Nähe auf die Erde, kann aber nur von einem Thor aus dem Felsen gehoben werden, der seine Lektion gelernt hat und auf dem Weg zum besseren Gott ist.

Immerhin trifft unser Heißsporn hier auf ein wissenschaftliches Team unter Leitung der schönen Jane Foster (Natalie Portman), die seltsamen Himmelserscheinungen auf den Grund gehen wollen. Dass mit Professor Andrews (Stellan Skarsgard) ein Skandinavier dabei ist, macht vieles leichter: Er kann sich aus Thors Schilderungen einen Reim machen, denn mit Göttersagen ist er aufgewachsen.

In Asgard aber laufen die Dinge derweil aus dem Ruder: Odin ist in einen totenähnlichen Schlaf gefallen, was Thors Bruder Loki dazu benutzt, die Macht zu übernehmen und seltsame Abkommen mit den Frostriesen zu schließen. Und damit Thor auch wirklich ausgeschaltet bleibt, schickt der neue Machthaber eine Art blechernen Terminator mit ziemlicher Heizkraft auf die Erde.

Irrläufer zwischen
den Völkern

Mit Branagh am Ruder fühlt der Zuschauer sich hier nie unter Niveau bedient. Selbst Loki, der maßgeschneiderte Bösewicht der Handlung, findet in Tom Hiddleston einen Schauspieler, der die Figur eher als ratlosen Irrläufer zwischen den Völkern interpretiert denn als abgefeimten Schurken. Wenn Thor, neu erblüht zwischen Einsicht und zarter Liebe, endlich wieder seines Lieblingsspielzeugs hab­haft werden kann, fliegt er in Windeseile heim nach As­gard, um den Feinden zu zeigen, wo der Hammer hängt. Aber auch er ist nicht mehr der alte Haudrauf, bedauert fast sein Vorgehen gegen den Bruder.

Dem Zuschauer widerfährt, was er lange nicht ge­spürt hat bei einem Actionfilm der Marke Blockbuster: Er freut sich auf eine Fortsetzung.