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Über das Thema „Selbstmordattentäter“ konnte man bisher nur in gebotenem Ernst diskutieren. Der Brite Chris Morris zeigt jetzt mit dem Film „Four Lions“, dass man über dilettantische Dschihad-Krieger in England durch aus lachen darf.
So eine Idee kann auch nur ein Engländer haben. Niemand sonst würde sich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, aus dem Thema Terrorismus, Abteilung Selbstmordattentäter, eine Komödie zu formen. Da muss schon einer kommen, der mit dem speziellen Humor der Briten aufgewachsen ist – vorwiegend schwarz und immer ein wenig bitter. Chris Morris ist so ein Exemplar, was nun dazu geführt hat, dass man sich in seinem Kinoerstling „Four Lions“ über trottelige Dschihad-Krieger amüsieren kann.
Nicht alle haben so reagiert. Die Angehörigen von Opfern des blutigen Bombenanschlags auf die Londoner U-Bahn 2005 beispielsweise haben einen guten Grund, gegen diesen Film zu sein. Sie riefen deshalb letztes Jahr zum Boykott des Films in England auf und attestierten seinen Machern eine bankrotte Moral. Ein bayerischer CSU-Abgeordneter wie Stephan Meyer jedoch, Vorsitzender des Arbeitskreises Kultur und Medien der CSU-Landesgruppe, hätte besser geschwiegen. Nicht moralische Bedenken ließen ihn kürzlich ein Verbot des Filmes fordern, sondern die Angst vor einer möglichen Erhöhung der Terrorgefahr im Inneren. Selbstzensur mithin.
Zu solcher Erkenntnis kann eigentlich nur kommen, wer den Film noch nicht gesehen hat. Denn nichts liegt dem Regisseur ferner, als sich über den Islam lustig zu machen. Er will am Beispiel einer Gruppe in England vielmehr zeigen, welcher Dilettantismus, welche Unkenntnis und auch welche Ratlosigkeit sich oft hinter dem Wort „Selbstmordattentäter“ verbergen. Nach „Four Lions“ könnte man jeden funktionierenden Anschlag für den puren Zufall halten.
Inkompetenz als Markenzeichen
Inkompetenz ist denn auch das Markenzeichen für die tragischen Helden dieses Films. Der Pakistani Omar (Riz Ahmed) beispielsweise ist gar nicht mal besonders religiös, hat eine funktionierende Familie und sieht sich eigentlich gut im britischen Alltag situiert. Trotzdem kommt er auf die Idee mit dem Suizid-Terrorismus, weil er der fixen Idee hinterherjagt, etwas verändern zu müssen.
Vielleicht sind es ja die ständigen Einflüsterungen von Barry (Nigel Lindsay), dem einzigen Engländer der Gruppe, der die Rolle des unentwegten Agitators übernommen hat. Geistig jedenfalls fliegen sie alle derart tief, dass der Radar des Geheimdienstes sich standhaft weigert, sie zu erfassen.
Der London Marathon als Ziel
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Den Aufenthalt in einem Terrorcamp müssen Omar und sein leicht debiler Freund Waj (Kayvan Novak) vorzeitig abbrechen, weil ihnen beim Üben mit einer Bazooka ein Missgeschick widerfahren ist. Ihr Versagen bei den Brüdern im Nahen Osten wollen sie nun in der Heimat wettmachen: Unsere vier Löwen beschließen einen Anschlag auf den London Marathon, wollen sich als „Funny Runner“ mit Kostüm und Bombe in die Menge stürzen. Es wird nicht soweit kommen, da der unsachgemäße Umgang mit Sprengmaterial einen Löwen nach dem anderen ins Paradies expediert. Wo Laurel & Hardy einst immer wieder unverletzt aufstanden, da werden hier die Einzelstücke der Opfer zusammengesucht. Wer mit der Bombe in der Hand über eine Ziege stolpert, dem ist nicht mehr zu helfen.
„Four Lions“ ist der Extremfall einer Komödie. Man lacht über die Unfähigkeit der selbst ernannten Krieger, nur um danach betroffen dem Drama ihrer himmlischen Abberufung beizuwohnen.
Keine Forderungen
So entlässt Chris Morris den Zuschauer nie aus der Anspannung, spottet zwar über seine merkwürdigen Helden, verkennt aber nie die von ihnen ausgehende Gefahr; inszeniert eine Komödie, in der die Dunkelheit nie recht weichen will. Die vielleicht bezeichnendste Szene ereignet sich in einem Kebab-Shop, wohin sich einer der Löwen geflüchtet hat. Als die auch nicht gerade von übermächtiger Intelligenz heimgesuchte Polizei ihn in Annahme von Geiseln nach seinen Forderungen fragt, kommt von drinnen eine überraschende Antwort: „Ich habe gar keine.“