Essen. In “Magic Mike XXL“ zeigt sich Channing Tatum erneut leicht bekleidet und plant mit seinen Kollegen eine letzte Tour, die viel Geld einbringen soll.
Mikes Traum ist in Erfüllung gegangen. Er hat sich als Möbeldesigner selbstständig gemacht und seine Vergangenheit als Stripper hinter sich gelassen. Über mangelnde Aufträge kann er auch nicht klagen. Aber etwas fehlt dem erneut von Channing Tatum gespielten Self-Made-Man trotz allem. Und so sieht man ihn gleich zu Beginn von Gregory Jacobs’ Sequel „Magic Mike XXL“, wie er nachts alleine in seiner Werkstatt zu einem HipHop-Song im Radio tanzt.
Ganz im Einklang mit sich und seinem Körper ist Mike nur im Tanz
Diese erste, wundervoll gelöste Tanzeinlage zwischen Werkbänken und Holzplatten ist ein großes Versprechen. Mehr noch als all die imposanten Shownummern in Steven Soderberghs „Magic Mike“ feiert sie die Bewegungen und Choreographien eines Strippers oder „Male Entertainers“ – wie sie sich selbst mit einem Augenzwinkern nennen – als eigene Kunstform.
Als sich Mike lasziv auf seinen Arbeitsgeräten ausstreckt und seinen perfekt modellierten Körper spielerisch in Szene setzt, gerät er in einen beinahe rauschhaften Zustand. Seine eigenen Möbel zu entwerfen und dann auch zu bauen, war Mikes große Sehnsucht. Aber ganz im Einklang mit sich und seinem Körper ist er letztlich nur im Tanz. In jeder seiner Bewegungen offenbart sich eine Facette seines Wesens, die weder Worte noch Möbel je ganz ausdrücken könnten.
Mikes spektakuläre Auftritte bei den „Kings of Tampa“, von denen er sich vor drei Jahren getrennt hat, waren eben weitaus mehr als nur ein banales Tauschgeschäft, erotische Simulationen gegen ein paar Handvoll Ein-Dollar-Scheine. Sie gaben ihm auch eine ungeheuere Freiheit. Insofern ist es nur konsequent, dass er kurz darauf seine Werkstatt für ein paar Tage verlässt und sich seiner alten Truppe anschließt, um mit ihr zu einer Stripper-Convention im Myrtle Beach zu fahren.
Der erste Teil war einer der Überraschungserfolge des Kinojahres 2012
„Magic Mike“, einer der großen Überraschungserfolge des Kinojahres 2012, spielte zwar mit den Konventionen von Musicals und Tanzfilmen. Doch seine Nachtklub-Choreographien waren letzten Endes eher schmuckes Beiwerk. Die Welt der Stripper, die neben ihrem Körper auch Träume und Sehnsüchte verkaufen, war für Steven Soderbergh ein Spiegel der nicht nur ökonomisch angeschlagenen US-Gesellschaft. Die Auswirkungen der großen Banken- und Immobilien-Krise schlugen immer noch hohe Wellen, in denen Mike und seine Freunde unterzugehen drohten. Das Geschäft mit dem angedeuteten Sex erwies sich als Ausweg für all die, denen ihr Körper als einzige Ware blieb.
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Die Krise, von der Soderbergh mit solch großer Dringlichkeit und erstaunlicher Konsequenz erzählte, ist zwar immer noch nicht ausgestanden. Aber das will man nun drei Jahre später wohl lieber vergessen. So tritt an diese Stelle des überraschend realistischen Gesellschaftspanoramas nun ein typisch amerikanisches Märchen. Mike und die anderen „Kings of Tampa“, die von ihrem Boss Dallas verlassen wurden, reisen quer durch den Süden, von Florida nach South Carolina, und begegnen dabei rebellischen Drag Queens und alternden Südstaaten-Schönheiten, einer von Jada Pinkett Smith gespielten Nachtclub-Besitzerin, die sich ihr eigenes Königreich erschaffen hat, und unzähligen Frauen, die sich danach verzehren, einmal von Männern hofiert zu werden.
Road Movie und Musical werden eins
Road Movies und Musical, zwei Genres, die an sich einiges gemeinsam haben, werden eins in „Magic Mike XXL“. Jede Episode auf der Reise der Stripper gipfelt in einer neuen Tanz- und Shownummer. Doch letztlich variiert Gregory Jacobs, der schon seit Jahren mit Steven Soderbergh zusammenarbeitet und „Magic Mike“ mitproduziert hat, nur immer die gleichen Muster. Mike und die anderen Tänzer, die alle im weitesten Sinne künstlerische Ambitionen haben, inszenieren sich selbst als moderne Ritter, für die jede Frau eine Königin ist. Ihre Striptease-Nummern erweisen sich als zeitgemäße Form des Minnesangs, vor allem wenn Matt Bomers Ken nicht nur tanzt, sondern auch gleich noch singt.
Dieses ritterliche Gebaren hat in dem Moment, in dem sie auf die geschiedene Nancy (Andie McDowell) und deren Freundinnen treffen, die alle von ihren reichen Männern sträflich vernachlässigt werden, durchaus seinen Reiz. Die Galanterie des alten Südens erlebt hier noch einmal eine Renaissance. Das ist natürlich auch nur eine klischeehafte Märchen-Phantasie, aber eine, der man sich gerne hingibt. In den Nachtclub- und den Convention-Szenen bekommt der Gentleman-Gestus der Stripper und das ständige Gerede von den Frauen als Königinnen dagegen einen schalen Beigeschmack.
Schließlich zielen die Auftritte von Mike und seinen Freunden, und das geben sie auch einmal selbst zu, eigentlich nur auf eins: Einen „Tsunami aus Dollar-Scheinen“, der sie möglichst von der Bühne spülen soll.
Wertung: drei von fünf Sternen