Essen. . In dem Drama „Die Liebe seines Lebens“ spielt Colin Firth einen Mann mit einem besonderen Faible für Eisenbahnzüge – das ihm fast zum Verhängnis wurde.
Dieser Film heißt „Die Liebe seines Lebens“, also kann es sich doch dann nur um ein saftiges Stück Kinoromantik handeln. Von wegen! England im Jahre 1980 swingt nicht mehr. Die Sixties sind lange vorbei und der Punk liegt auch in den letzten Zügen. Das Land steuert auf das Ende des traditionsreichen Kohlebergbaus und gewaltige Privatisierungswellen zu und Eric Lomax bekommt von all dem nichts mit. Der verschlossene Mann liebt Eisenbahnzüge, Gleisschaltungen, Streckenführungen und Fahrpläne. Verspätungen und Umleitungen sind kein Problem für ihn; er hat jede Alternative im Kopf und kann allem, was mit Eisenbahn zu tun hat, eine poetische Seite abgewinnen. Die frühere Krankenschwester Patti ist davon angetan. Die beiden verlieben sich und heiraten.
Ein schweres Trauma
Erst danach brechen Symptome durch, vor denen Erics bester Freund aus dem Eisenbahn-Fanclub gewarnt hatte. Eric leidet unter einem schweren Trauma, denn im Zweiten Weltkrieg war er Kriegsgefangener der Japaner. Englands Truppen hatten den japanischen Vormarsch in Burma nicht stoppen können und ihre Stellungen, auch die in Singapur, kampflos übergeben.
Die Soldaten wurden in den Urwald verfrachtet, denn hier wurde eine Eisenbahnlinie gebaut, die von Bangkok nach Indien führen sollte. Eric war von dem Projekt angetan und hatte sich sogar eine Streckenkarte gezeichnet. Genau das wurde ihm zum Verhängnis, ein Folterer des Geheimdienstes nahm sich seiner an. Patti wahrt die Ruhe, übt sich in Geduld und Nachsicht auch dann, als Eric sich plötzlich der Vergangenheit stellen will und kurzentschlossen nach Südostasien reist, wo ein Mann lebt, der sich das Verzeihen erst noch verdienen muss.
Eine Romanze ist der Film nur in der ersten Viertelstunde
Deutsche Titel sollen einen Film etikettierend schmackhaft machen; das ist legitim. Wenn aber wie im nun vorliegenden Fall ein Liebesfilm vorgegaukelt wird, muss eher von Schaden als Nutzen die Rede sein. „The Railway Man“ ist zwar in der ersten Viertelstunde fraglos eine schöne Romanze zwischen den sehr gut miteinander harmonierenden Colin Firth und Nicole Kidman, doch sobald Erics Trauma und seine Ursache ins Zentrum rücken, wandelt sich der Film in den Rückblenden zum physisch geprägten Kriegsdrama in der Tradition von Leans „Die Brücke am Kwai“, während die moderne Erzählebene auf eine emotional höchst intensiv geführte Konfrontation zwischen Peiniger und Opfer zusteuert.
Es hat also seinen Grund, dass hiesige Verleiher dem Film anderthalb Jahre aus dem Weg gingen und nun bewusst am Thema vorbei titeln. Solche Stoffe sind hierzulande nicht zu verkaufen, was schade ist, denn anders als Angelina Jolies „Unbroken“ im Januar ist dieser Film tiefgründig in der Charakterzeichnung und frei von jeglicher billigen Heldenmoral, dass Männer im Stahlbad des Krieges erst zu richtiger Mannhaftigkeit finden.
Nährwert auf formaler Ebene
Die eigentlichen Probleme finden sich hier in den Nahtstellen zwischen den Zeitebenen, wenn die Gewichtungen sich zu verschieben beginnen. Da werden Erwartungen bewusst ins Leere geführt. Umso größerer Nährwert findet sich auf formaler Ebene, in der konzentrierten Regieleistung von Jonathan Teplitzky, im superben Einsatz der Breitbild-Fotografie und den außerordentlichen Schauspielerleistungen. Dieser Film sucht nicht krampfhaft nach Neuerungen, er bietet klassisches Filmerzählen in hoher Qualität. Das lohnt sich.
Wertung: vier von fünf Sternen.