Essen. . Das imposante Drama “Leviathan“ von Andrey Zvyagintsev wurde mit Preisen überschüttet. In Russland hat der Film jedoch heftige Diskussionen ausgelöst.
International ist der russische Filmemacher Andrey Zvyagintsev für sein imposantes Drama „Leviathan“ nahezu einhellig gefeiert worden. In Cannes hat er zusammen mit seinem Ko-Autoren Oleg Negin den Preis für das beste Drehbuch erhalten. Den Golden Globe für den besten nicht englischsprachigen Film hat er gewonnen, und für den Auslands-Oscar war seine von biblischen Untertönen durchzogene Parabel auch nominiert. Nur in Russland ist sie auf deutliche Widerstände gestoßen. Obwohl Zvyagintsev auf jeden augenfälligen politischen Kommentar verzichtet hat, hängt das Damokles-Schwert der Zensur über seinem Film.
Es ist kein mythisches Seemonster, mit dem der eigenbrötlerische und extrem aufbrausende Automechaniker Kolja (Alexey Serebryakov) ringt. Aber sein Gegner ist letztlich noch viel mächtiger und ähnlich unangreifbar. Denn gegen die lokale Bürokratie, die den Familienvater mit allen Mitteln um sein direkt an der Barentssee gelegenes Grundstück bringen will, ist der Einzelne, selbst wenn er sich Unterstützung von einem Anwalt aus Moskau holt, machtlos. So nimmt Koljas Tragödie, die deutliche Parallelen zur Hiob-Geschichte aufweist, ihren Lauf.
Extrem wuchtige Bilder
In extrem wuchtigen Bildern zeichnen Zvyagintsev und sein Kameramann Mikhail Krichman das Bild einer Welt, in der Menschen wie Kolja nur verschwinden oder untergehen können. Die Brandung, die voller Wut an die Klippen schlägt, das am Strand liegende Walskelett, die langsam verrottenden Schiffe und die leere Weite des Hinterlands, alles fügt sich zu einem Panorama der Erbarmungslosigkeit zusammen.
Das eherne System aus Politik und Bürokratie
Aber noch weitaus hartherziger und zerstörerischer als die Natur ist das Zusammenspiel der menschlichen Kräfte. Für den korrupten Bürgermeister, der den Automechaniker unbedingt brechen will, geht es dabei nicht nur um dessen Land. Die Zerstörung Koljas ist in seinen Augen notwendig für sein eigenes Überleben. Das eherne System aus Politik und Bürokratie, Justiz und Kirche, die hier konsequent an einem Strang ziehen und sich dabei selbst in einem immer engeren Netz von Abhängigkeiten verfangen, duldet keine Schwäche. So erweist sich diese moderne Hiob-Erzählung, in der die Menschen Gott zwar ständig im Mund führen, aber in Wahrheit nur an ihre Macht und deren Erhalt denken, tatsächlich als Lehrstück über das heutige Russland.
Wertung: vier von fünf Sternen