Essen. . In “The Homesman“ zerbrechen drei Frauen an den Strapazen des Siedlerdaseins. Ein gescheiterter Cowboy und eine burschikose Lehrerin sollen helfen.

Der Western, dieses Genre, hat wahrlich mehr zu bieten als Cowboys, Indianer und Pengpeng. Es gibt nur wenig Gelegenheit, das zu überprüfen, denn im Fernsehen laufen kaum noch Western, und im Kino – nun ja, da kommt bereits der dritte Western in diesem Jahr auf die Leinwände. „The Homesman“ ist die zweite Regiearbeit des Oscar-prämierten Charakterschauspielers Tommy Lee Jones und endlich wieder ein Film nach Romanvorlage von Glendon Swarthout.

Unter dem weiten Himmel der Prärie führt eine Frau den Pflug durch einen Acker. Sie trägt Haube und ein langes, umständliches Kleid. Unter dem Saum des Kleides schauen Hosenbeine und Stiefel hervor, weshalb die Frau weiblich und männlich zugleich erscheint.

Vom Strick geschnitten

Mary Bee Cuddy ist die Heldin des Films, eine ausgebildete Lehrerin, die reiten, schießen, kochen und Befehle geben kann. Gespielt wird sie von der zweifachen Oscar-Preisträgerin Hilary Swank, die in betont Realismus-orientierter Gestik die Alltagsbelange einer Siedlerin verrichtet und dabei denkbar freudlose Mimik auffährt. Denn Mary Cuddy kann zwar alles, was Männer auch können; dafür fehlt ihr jeglicher Liebreiz, deshalb scheitert sie umso mehr als Frau. „Sie sind bloß eine alte Jungfer, die immer nur rumkommandiert.“ Das sagt ihr ausgerechnet George Biggs ins Gesicht, den sie nur deshalb vom Strick schnitt, damit er ihr bei einem riskanten Unternehmen hilft. Denn in der Gegend haben drei Frauen aus unterschiedlichen Gründen den Verstand verloren. Mary will die Frauen im geschlossenen Wagen zurück nach Iowa bringen. Fünf Wochen wird allein die Hinreise dauern. George Biggs wird sie begleiten, weil er sonst hätte hängen müssen.

Tommy Lee Jones

Tommy Lee Jones (68) entwickelte seine Filmkarriere Mitte der 70er-Jahre in Publikumsfilmen von meist minderer Qualität. Seine charismatische Erscheinung verschaffte ihm beständige Einsätze in zunehmend größeren Rollen.

Als FBI-Ermittler im Verfolgungsreißer „Auf der Flucht“ wurde Jones 1994 mit dem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Seine populärste Rolle ist der Alien-Jäger Kay in „Men in Black“.

„The Homesman“, der Rückführer, ist ein Mann mit zwielichtiger Vergangenheit, der im Laufe des Geschehens aber die einzige verlässliche Instanz dafür ist, dass der Frauentreck sein Ziel erreicht; auf dem Hin- und auf dem Rückweg. Tommy Lee Jones, der auch am Drehbuch mitschrieb, gönnt sich eine Paraderolle als alternder Westerner zwischen clownesker Tumbheit, ausgefuchstem Überlebenstrieb und kindischem Racheengel. Die Frauen um ihn herum haben wenig zu lachen. Hilary Swank gibt virtuos die Verschmähte, aber die wahren intensiven Momente bescheren Grace Gummer, Miranda Otto und die Norwegerin Sonja Richter. Sie verleihen dem Wahnsinn Gesichter von schockierender Hässlichkeit, weil sie dem Siedlerleben nicht gewachsen waren und im Zeichen schlimmer Verluste (Kinder, Angehörige, Vieh) angesichts unbarmherziger Natur und beständiger körperlicher und seelischer Auszehrung scheiterten.

Düster poetisches Roadmovie

Großartige Landschaftspanoramen, stilvoll untermalt von Marco Beltramis archaischen Folkklängen, bilden den kraftvollen Hintergrund für ein düster poetisches Roadmovie mit zwei ungleichen Protagonisten, die partout nicht zueinander finden können.

Jones nutzt jede Gelegenheit für schlitzohrigen Humor im Stile der Coen-Brüder und hochkarätige Gaststars (u.a. Meryl Streep, Matt Damon, James Spader und das „True Grit“-Girl Hailee Steinfeld) in Historienverkleidung. Überhaupt erinnert Jones‘ Inszenierung an den entzaubernden Stil Robert Altmans zur Hochphase des New Hollywood mit extra viel Schmutz und sehr schlechten Zähnen. Das kann man so machen und in diesem Rahmen ist es gut gemacht. Die Frage ist, ob man den Wilden Westen so sehen will.

Wertung: Drei von fünf Sternen.