Essen. Das Duell zwischen Alt und Jung, die Angst einer Schauspielerin vor dem Alter – das thematisiert „Die Wolken von Sils Maria“ mit Juliette Binoche.
Oberflächlich betrachtet geschieht kaum Spektakuläres in „Die Wolken von Sils Maria“, dem neuen Film von Olivier Assayas („Carlos – Der Schakal“).
Im Zentrum steht mit Maria Enders (Juliette Binoche) eine international erfolgreiche Schauspielerin, die sich sehr schwer damit tut, in London die Rolle in einem Stück anzunehmen, mit dem sie einst als 18-Jährige ihren Durchbruch auf der Bühne hatte. Nun aber soll sie nicht mehr die junge Sigrid verkörpern, die mit einer älteren Geschäftsfrau eine zerstörerische Beziehung unterhält. Diesmal soll sie unter Star-Regisseur Diesterweg (Lars Eidinger) die in die Jahre gekommene Helene spielen, während für ihre alte Rolle in Gestalt von Jo-Ann Ellis (Chloe Grace Moretz) ein derzeit angesagter Hollywood-Star engagiert wird. Maria, man merkt es, hat große Angst vor dem Altersfach.
Mehr als die Krise einer Schauspielerin
Assayas jedoch, der ehemalige Filmkritiker, serviert uns hier nicht einfach die Krise einer Schauspielerin, er macht daraus vielmehr ein mehrdeutiges Spiel, das den Zuschauer oft daran zweifeln lässt, ob er sich bereits im Theaterstück selbst oder immer noch in dessen Vorbereitung befindet. Maria nämlich zieht sich mit ihrer jungen Assistentin Valentine (stark: „Twilight“-Star Kristen Stewart) in den Ort Sils Maria im Engadin zurück, in das Haus ihres verstorbenen Förderers, wo beide dessen Stück „Maloja Snake“ in Ruhe proben wollen. Schon bald aber verschwimmen die Konturen, klingen die Textpassagen nicht mehr nach Bühne, sondern scheinen auch das Verhältnis von Maria und Valentine zu spiegeln.
Wenn Letztere dann während einer Bergwanderung plötzlich spurlos verschwindet, dann hat das beinahe den Anschein, als sei hier eine virtuelle Figur entschwebt, erfunden von Maria, um sich für ihre neue junge Konkurrentin auf der Bühne zu wappnen. Doch gegen die ist kein Kraut gewachsen: Jo-Ann ist beileibe nicht die Skandalnudel, als die sie von den Medien aufgebaut wurde. Stattdessen erwartet Maria eine sehr selbstsichere Schauspielerin, die ihre Jugend ausspielt und ihre Akzente zu setzen weiß. In diesem Duell kann die Ältere nur resigniert verlieren. Die Leidenschaft für große Bühnenschauspieler geht bei Assayas einher mit einer Leidenschaft für Wolkenformationen, die schlangengleich durchs Engadin huschen. Aber natürlich hat bei diesem Regisseur das Eine auch mit dem Anderen zu tun.
Wertung: Vier von fünf Sternen.