Mülheim. Besucherbilanz war 2017 etwas besser als im Vorjahr. Die Kinos hatten sich mehr versprochen. Vor dem Fußball-Event fürchten sie sich aber nicht.
Verlässlich alle zwei Jahre steht eine internationale Fußballmeisterschaft auf dem Plan, an der die Fans Spaß haben, die Kinobetreiber nicht. Wenn sich also Ulrich Staats, Theaterleiter des Cinemaxx Mülheim, besonders auf das WM-Jahr 2018 freut, hat dies vorrangig private Gründe. Er möchte sich im Frühsommer endlich einmal einen ausgedehnten Urlaub gönnen.
Vorher und nachher ist reichlich zu tun, und die Aussicht, einige Wochen lang in Konkurrenz zu den Kickern zu treten, macht Staats auch nicht bange. Er hat „solide Erwartungen“ und stellt fest: „Immer mehr Filmverleiher trauen sich, Top-Titel kurz vor einem Fußballturnier zu starten.“ Diesmal gilt dies beispielsweise für „Solo: A Star Wars Story“ oder „Jurassic World 2“, die für Ende Mai bzw. Anfang Juni auf der Liste stehen.
Offenbar war auch 2017 für die Kinobranche nicht der Renner. „Es war etwas besser als 2016“, so viel darf Ulrich Staats preisgeben. Bei exakten Zahlen hält sich der Cinemaxx-Konzern generell bedeckt. „Die Gesamtbesucherzahlen im Vorjahr lagen unter unseren Erwartungen“, teilt das Unternehmen mit. Enttäuscht habe insbesondere der Zuspruch von Mai bis September, es war kein glänzender Kinosommer, trotz des mäßigen Wetters. Die meisten Zuschauer zog der aktuelle Star-Wars-Streifen „Die letzten Jedi“ ins Multiplex im Rhein-Ruhr-Zentrum, gefolgt von „Fack ju Göthe 3“ und dem dritten Teil von „Ich – Einfach unverbesserlich“.
Viele Sequels, viele Superhelden
Jede Menge Fortsetzungen populärer Reihen stehen auch 2018 an: „Es kommen unheimlich viele Sequels und unheimlich viele Superhelden“, kündigt Ulrich Staats an. „Sichere Hits.“ Er selber als großer Kinofan würde sich allerdings wünschen dass mehr Innovatives auf den Markt gebracht wird.
Sein persönlicher Favorit läuft bereits seit kurzem: „Wunder“, ein Hollywood-Drama, in dem Julia Roberts und Owen Wilson als Eltern eines angeblich entstellten Jungen agieren, der eine normale Schule besuchen möchte. Staats schwärmt: „Echt toll. Da bleibt kein Auge trocken, ohne dass die volle Ladung Kitsch auf den Tisch gelegt wird.“
Softdrinks selber mixen
Außer fortlaufend neuen Filmen versucht das Cinemaxx, verbesserten Service zu bieten. „Die Leute zahlen schließlich gutes Geld“, so der Theaterleiter, dessen Team sechs feste Mitarbeiter, einen Auszubildenden sowie zu Hoch-Zeiten zusätzlich rund 40 Servicekräfte umfasst. Letzte Neuerung war Anfang Dezember die Installierung von acht Selbstbedienungsautomaten für Softdrinks, „Coca-Cola-Freestyle“, an denen man sich laut Firmenwerbung mehr als 100 verschiedene Geschmacksrichtungen selbst mischen kann. Sorten, die es nicht im Getränkehandel gibt. Allerdings, räumt Ulrich Staats ein, sind auch die Limo-Preise gestiegen.
Außerdem wurden 2017 in jedem der elf Säle jeweils zwei Reihen mit komfortableren VIP-Sitzen eingerichtet. Hier kann man ebenfalls gegen Aufpreis Platz nehmen. „Ganz, ganz stark steigend“ sei der Trend zum elektronischen Ticket, bei dessen Buchung man am Eingang nur noch das Handy vorzeigt.
Überhaupt macht sich Ulrich Staats über die Zukunft des Kinos in Konkurrenz etwa zu Internetanbietern wie Netflix oder Amazon Prime keine Sorgen. Die Besucherzahlen seien seit Jahren etwa auf dem selben Level und überraschend hoch. Höher als etwa in den achtziger Jahren. Auch bei Jugendlichen sei Kino unverändert beliebt: „Die neuesten, angesagten Filme sind nicht streambar, und das besondere Erlebnis durch Größe der Leinwand und Soundeffekte gibt es nur hier.“
Filmpassage knackt 130 000er-Marke nicht ganz
Auch die Betreiber der Filmpassage im Forum haben sich vom vergangenen Geschäftsjahr etwas mehr versprochen. Auf 2017 habe die Branche große Erwartungen gesetzt, sagt Kinoleiterin Anja Thies, doch selbst im ungeraden Jahr zogen Fußball-Events wie der Confed-Cup, die Frauen- und die Junioren-WM Zuschauer ab. „Das hat uns allen weh getan“, gesteht die Kinochefin.
Speziell in ihrem Mülheimer Haus hätten sie gerne die Marke von 130 000 Besuchern geknackt, dies sei nicht ganz gelungen. „Ich bin zufrieden, dass wir nicht noch verloren haben.“
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Am besten liefen, in dieser Reihenfolge, „Fack ju Göthe 3“, der aktuelle „Star Wars“ und „Ich – Einfach unverbesserlich 3“. Im Horrorgenre lag die Neuverfilmung von „Es“ vorne, wogegen etwa „Atomic Blonde“ mit Charlize Theron entgegen aller Erwartungen floppte. Komplett abgewählt haben die Mülheimer die US-Komödie „Girls Trip“. Den Streifen mit Jada Pinkett Smith und Queen Latifah wollten nur 150 Leute sehen.
Nun wird 2018 bekanntlich im Zeichen der Fußball-WM stehen, es als Kinojahr eher schwer haben, doch nachdem sie jetzt auf dem internationalen Filmfest in München schon einen Blick auf die Neuerscheinungen werde konnte, sei sie „etwas beruhigter“, erklärt Anja Thies. „Eine schöne Mischung. Wenn es bei den geplanten Startterminen bleibt, sind wir auch zum ersten Mal während einer WM mit guten Filmen versorgt.“ Sie nennt etwa „Oceans 8“, der im Juni anlaufen soll, mit weiblicher Starbesetzung, unter anderem Sandra Bullock, Rihanna und Cate Blanchett.
„Fifty Shades“ im Dreierpack
Schon in der kommenden Woche startet ein Streifen für den speziellen Geschmack, dem einige entgegen schmachten: „Fifty Shades of Grey 3“. Die Filmpassage strickt drumherum ein Pärchen-Event und bewirbt dies als „ideales Geschenk zum Valentinstag“: Im kuscheligen Sitzsack-Saal, der 42 Plätze bietet, laufen am 16. Februar alle drei Teile des Erotik-Thrillers an einem Abend, mit Sekt und Rosen wird das Ganze angerichtet.
Jugendfrei dagegen: die Schulkinowochen, an denen sich die Filmpassage auch 2018 wieder als einziges Mülheimer Haus beteiligt. „Im Vorjahr kamen 850 Schüler mit ihren Lehrern“, berichtet die Kinoleiterin. Ab dem heutigen Donnerstag, 1. Februar, hebt sich hier der Vorhang wieder. Eine Woche lang werden sechs verschiedene Titel gezeigt, manche sind für Grundschulkinder, andere eher für die Oberstufe geeignet. Das Festival bietet zudem die seltene Gelegenheit, morgens um neun ins Kino zu gehen.
Im Rio haben die „Pottkinder“ abgeräumt
Die Betreiber von Mülheims einzigem Programmkino, dem Rio im Medienhaus, sind mit den Besucherzuspruch in 2017 zufrieden: „Es waren etwas mehr als im Jahr zuvor“, sagt Christiane Hüls, Sprecherin der Essener Filmkunsttheater, zu denen das kleine Lichtspielhaus mit seinen 80 Plätzen gehört. Zahlen nennt das Unternehmen traditionell jedoch nicht.
Der mit Abstand am besten besuchte Streifen im Rio war „Pottkinder – ein Heimatfilm“ von Alexander Waldhelm, der an verschiedenen Orten in Mülheim gedreht wurde und mit Gastauftritten bekannter Ruhrgebietsgesichter glänzt. „Der Film war unheimlich erfolgreich“, sagt Christiane Hüls, „vermutlich wegen des lokalen Bezugs.“
Auf den Plätzen zwei und drei der beliebtesten Filme im Rio folgen „Paris kann warten“ von Eleanor Coppola und das US-Sozialdrama „Moonlight“.
Erstes Highlight in 2018 ist das derzeit laufende Dokumentarfilmfestival „Stranger Than Fiction“, zu dessen Spielorten das Mülheimer Rio erneut gehört. Hier wurden drei Produktionen aus Nordrhein-Westfalen gezeigt, wobei alle Vorführungen allerdings schon vor 18 Uhr begannen. Für manche Filmfans vielleicht zu früh, „aber Leute, die sich wirklich dafür interessieren, richten es ein“, hat Hüls immer wieder festgestellt.