Berlin. Gut 260.000 Menschen sind seit Kriegsbeginn nach Deutschland gekommen. Wie funktioniert die Aufnahme? Der Ukraine-Talk gibt Antworten.
Putins Krieg gegen die Ukraine hat die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Etwa vier Millionen Menschen haben das Land verlassen, nach Deutschland sind davon bislang etwa 260.000 gekommen.
Das Thema beschäftigte am Montagabend auch die Runde bei "Hart aber fair". "Wie gut kann Deutschland helfen?", war der Talk überschrieben.
"Hart aber fair" – Diese Gäste waren dabei
- Luise Amtsberg (B‘90/Grüne), Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe
- Joachim Herrmann (CSU), Bayerischer Staatsminister des Innern, für Sport und Integration
- Isabel Schayani, Moderatorin ARD "Weltspiegel", Leiterin der Redaktion "WDRforyou"
- Heike Jüngling, Sozialdezernentin der Stadt Königswinter in Nordrhein-Westfalen
- Im Einzelgespräch: Oksana Ilchenko, Deutschlehrerin aus Kiew, ist mit Mutter und Tochter nach Deutschland geflüchtet
- Im Einzelgespräch: Julia Kroß, Unternehmensberaterin, hat zusammen mit ihrem Mann ukrainische Geflüchtete bei sich zu Hause aufgenommen
Ukraine-Krieg: Sind Bund und Länder zu gechillt?
In der Debatte zeigte sich schnell, dass es zwischen den politischen Ebenen eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung der Lage gibt. "Ich wundere mich etwas über die Entspanntheit des Bundes", berichtete die WDR-Journalistin Schayani mit Blick auf ihre Eindrücke aus den Kommunen. Während enorm viele Menschen auf dem Weg seien, wirkten Bund und Länder "fast gechillt".
Davon wollte Joachim Herrmann nichts wissen. "Von chillen kann keine Rede sein", sagte der bayerische Innenminister. Die Aufnahme der Menschen laufe insgesamt durchaus geordnet und besser als 2015 ab. Auch interessant: Lwiw rüstet sich - Wenn ein Museum zum Bunker wird
Da konnte Heike Jüngling nur müde lächeln. Als Sozialdezernentin der Stadt Königswinter ist sie mit dem Thema direkt befasst. "Dieses Chillen dauert mir viel zu lange", ärgerte sich Jüngling. Das löbliche Ehrenamt reiche nicht. "Strukturen und Regeln müssen her." Auch einen Monat nach Kriegsausbruch seien zentrale Fragen, etwa nach der Kostenerstattung für Privatleute, aber auch Kommunen, ungeklärt. Lesen Sie auch: Diese Jobchancen haben Geflüchtete in Deutschland
Geflüchtete: Warum Registrieren so wichtig ist
Ein konkretes Beispiel für mangelhafte Regeln ist die Registrierung der Geflüchteten. "Wir müssen jeden registrieren – spätestens, wenn er in der Unterkunft angekommen ist", forderte CSU-Politiker Herrmann. Es gehe auch um die Sicherheit der Ankommenden.
Doch vielerorts geschieht das noch nicht – mit weitreichenden Folgen. Es gehe nicht nur um Sicherheit, sondern vor allem um Zugang zu Asylleistungen, erklärte Jüngling. Eine zumindest zeitweise Integration könne demnach nur gelingen, wenn die Menschen den Behörden bekannt sind.
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Eine Geflüchtete und eine Helferin berichten
Kein Wunder also, dass ein guter Teil der Aufnahmeleistung nach wie vor bei Ehrenamtlichen liegt. Oksana Ilchenko berichtete, wie sie nach ihrer Flucht aus der Ukraine mit Mutter und Tochter von einer Familie in Hannover aufgenommen wurden. Die Geborgenheit habe eine große Last von ihnen genommen, erzählte die Deutschlehrerin.
Und stellte zugleich klar, dass sie über viele organisatorische Aspekte nicht nachdenken wolle: "Ich habe Angst, das zu besprechen, weil die Hoffnung immer noch da ist, dass wir bald in eine friedliche Ukraine zurückkehren können." Lesen Sie auch: Ukraine teilen? Die "koreanische Lösung" – Putins Optionen
Eindrücklich waren auch die Schilderungen von Julia Kroß. Gleich am Tag des Kriegsbeginns entschied sich die Hamburgerin mit ihrem Mann, Geflüchtete aufzunehmen. "Wenn Menschen von heute auf morgen alles verlieren, kann ich nicht still sitzen bleiben", sagte Kroß.
Und erzählte auch von Herausforderungen, so etwa, als ihre Gäste von weiteren Geflüchteten berichteten, sie aber keine Kapazitäten mehr hatten. Und die Behörden? "Wir kriegen keine Antworten", sagte Kroß. Man müsse spontan sein und jeden Tag umdenken.
Das Fazit
Diese Ausgabe von "Hart aber fair" funktionierte gut, weil hier einerseits die Sicht unterschiedlicher Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – aufeinandertrafen. Zum anderen, weil die Diskussion nicht abstrakt blieb, sondern dank Ilchenko und Kroß konkret wurden. Dabei zeigte sich auch, dass die Situation sich nicht so schnell ändern wird.
"Die Antwort wird nicht sein, dass wir das in der nächsten Woche geregelt haben", sagte Luise Amtsberg, Beauftrage der Bundesregierung für Menschenrechte. Auf das private Engagement wird es also noch länger ankommen.
Zur Ausgabe von "Hart aber fair" in der ARD-Mediathek.
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