Berlin. . Der 76-jährige Schauspieler hat alles erreicht: Quoten-Erfolge, Preise, selbst das Bundesverdienstkreuz wurde ihm verliehen. Jetzt will sich Götz George zurückziehen. Im Interview sagt er, warum – und wie er sich das Ende seiner legendären Figur Horst Schimanski vorstellt.
Anfang des Monats hat Götz George das Bundesverdienstkreuz bekommen. Kurz danach traf Julia Emmrich den 76-Jährigen in Berlin, um über seinen neuen ARD-Krimi zu reden – doch den Schauspieler bewegt etwas anderes: Abschied vom Film, Abschied vom Beruf. „Ich möchte Feierabend machen“, sagt George. Der Stress wird ihm zu viel, die letzten zwei Jahre haben ihn verändert: „Man baut ab.“
Sie tragen ja gar nicht Ihr Bundesverdienstkreuz...
Götz George: In meinem Alter summieren sich die Auszeichnungen. Wenn ich die alle anstecken würde, sähe ich aus - mit Verlaub – wie ein russischer Kriegsveteran oder Prinz Karneval.
Bedeutet Ihnen der Orden etwas?
George: Eine solche Auszeichnung bekommt erst eine wirkliche Bedeutung, wenn man diesen illustren Kreis betrachtet, der um einen versammelt ist: alles wunderbare, verdienstvolle Menschen.
Haben Sie sich um Ihr Heimatland verdient gemacht? Sehen Sie das so?
George: Das haben andere zu entscheiden. Es wäre wohl etwas übertrieben, wenn man sich selber vorschlagen würde. Das Leben zieht an einem vorbei, aber es wird alles registriert. So kam es mir bei der Verleihung vor. Eigentlich eine schöne Einsicht.
„Ein willkommener und schöner Schlusspunkt“
Klingt wie eine Bilanz...
George: Wenn man auf der Zielgeraden ist, bekommt alles eine andere Bedeutung. Entweder, man hat das Leben gepackt oder das Leben hat einen gepackt. Ich glaube mittlerweile, beides ist wohl wichtig. Du wirst geliebt und gebeutelt. Aber eines weiß ich: Auf der Bühne, wie es bei Schauspielern immer heißt, will ich sicher nicht sterben.
Dann war der Film über Ihren Vater Heinrich George ein Schlusspunkt?
George: Mit Sicherheit. Ein willkommener und schöner Schlusspunkt. Heute könnte ich das nicht mehr. In zwei Jahren kann viel passieren. Man baut ab.
Das heißt: Nach dem ARD-Krimi „Besondere Schwere der Schuld“ (1. November) kommt nichts mehr? Das war der letzte Film?
George: Ich möchte gerne nach 65 arbeitsreichen Jahren Feierabend machen. Wobei ich mir vorstellen kann, von Zeit zu Zeit wieder „auf die Piste“ zu gehen.
„Das Ruhrgebiet öffnet mir Herz und Seele“
„Besondere Schwere der Schuld“ erzählt von Joseph Komalschek, der nach 30 Jahren Knast in seine Siedlung in Dorsten zurückkehrt – auf der Suche nach Gerechtigkeit. Das Ruhrgebiet lässt Sie nicht los, oder?
George: Das war für mich nicht wichtig, diese Geschichte kann auch in der Eifel spielen. Obwohl das Ruhrgebiet mir immer das Herz und die Seele öffnet. Es geht in diesem Film um „Schuld und Sühne“, und die findet bekanntlich überall statt. Die Figur, die ich versuche zum Leben zu erwecken, war nach 30 Jahren Gefängnis fast zugeschüttet von Erinnerungen, Schuldgefühlen und Perspektivlosigkeit. Eine spannende Aufgabe für einen in die Jahre gekommenen Schauspieler – der nicht die Kraft von „Schimanski“ hat.
Trotzdem: Ich kann nicht glauben, dass Sie wirklich aufhören wollen.
George: 65 arbeitsreiche Jahre, habe ich mir gedacht, sollten genug sein in einem so schwierigen Beruf. Die Zeiten sind härter, egoistischer und unkünstlerischer geworden. So empfinde ich es zumindest. Also muss man sich mit seiner klugen, schönen Frau absprechen und Prioritäten setzen.
Was wäre ein würdiges Ende für Schimanski?
Aber einen letzten Schimanski spielen Sie noch, oder? Beim WDR werden gerade die Drehbücher für eine neue Folge gesichtet.
George: Ach nee? Davon weiß ich nichts.
Hat Schimanski denn kein würdiges Finale verdient?
George: Ich habe immer gesagt, „Schimanski“ tritt leise ab. Was wäre ein würdiges Ende für eine solch überbordende Figur? Ein ,Coitus interruptus’ in der Kneipentoilette? In meinem letzten ,Schimanski’ schreibe ich auf eine feine, neue, weiße Couch mit schwarzem Filzstift ,Ich liebe Dich’. Eine schöne, doppeldeutige Erklärung. Kann sich auch auf die Figur ,Schimanski’ beziehen. Dieser Typ tritt so leise ab, wie er laut angefangen hat.
Sie meinen es ernst mit dem Aufhören?
George: Man muss sich entscheiden können: Stress oder Leben.