München. . Matthias Brandt und Sandra Hüller überzeugen im Sonntagskrimi „Polizeiruf 110“. Die Zuschauer können sich auf einen Krimi freuen, der sie staunen lassen wird: über grandios inszenierte Szenen voller Liebe und Tragik, voller Spannung, Tiefe und manchmal auch galligem Humor.

Für einen romantischen Träumer hätte man diesen Kommissar Hanns von Meuffels gar nicht gehalten. Aber wie er da mit seiner Angebeteten ziellos durch die Münchener Nacht spaziert und über den gerade besuchten Mahler-Liederabend fabuliert, das ist so gar nicht der messerscharfe Verstandesmensch, den wir aus dem „Polizeiruf 110“ kennen. Zwischen Ermittlung und Begehren taumelt Matthias Brandt durch diesen Krimi namens „Morgengrauen“ (ARD, 20.15 Uhr) und lässt den Betrachter staunen: über grandios inszenierte Szenen voller Liebe und Tragik, voller Spannung, Tiefe und manchmal auch galligem Humor.

Manche Bilder missglücken Regisseur Alexander Adolph allerdings auch. Wie von Meuffels und Karen Wagner, Leiterin einer Jugendstrafanstalt, sich bis zum ersten Kuss anstammeln, wie sie nervös die Kaffeekapseln fallen lässt und er um den richtigen Gesichtsausdruck ringt, das wirkt bei aller Vorsicht und Scheu, von der die beiden durchdrungen sind, allzu dick aufgetragen. Brandt und Sandra Hüller sind glänzende Schauspieler und umschiffen das allzu deutliche einigermaßen elegant.

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Eine undurchsichtige Frau

Hüller spielt die Anstaltsleiterin als undurchsichtige, fahrige Frau mit sprödem Charme, und so sehr es den Ermittler auch erwischt, natürlich kommen ihm irgendwann Zweifel, auf wen er sich da eingelassen hat. Ein S-Bahnmord hat ihn in die Strafanstalt geführt, wo er alsbald schon wieder auf eine Leiche stößt. Hier trifft er auch seinen alten Schulfreund Max Steiner wieder, der als Psychologe mit den Jugendlichen arbeitet. Axel Milberg gibt der Figur mit leiser Stimme und sphinxhaftem Lächeln jene diabolische Note, die ihm in der deutschen Schaupiellandschaft so leicht keiner nachmacht.

Und dann ist da noch einer, der sie, ja so ist es, alle an die Wand spielt. Adolph, der auch das Drehbuch geschrieben hat, stellt dem feinsinnigen von Meuffels einen Prolopolizisten an die Seite, der nicht nur Oberpriller heißt, sondern sich auch so benimmt. Ein bayerisches Urviech, prallvoll mit anzüglichen Sprüchen, Pornoprogramm auf dem Bürocomputer für die Erleichterung zwischendurch und immer bereit, einem Knacki die Nase zu brechen, wenn der frech wird. Die Kinder freilich brüllt er daheim an, wenn sie sich mit Kriegsspielen vor dem Fernseher vergnügen.

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Spannender Kampf

So einer muss von Meuffels anwidern, aber dieser Ignorant lässt sich weder von süffisanten Bemerkungen noch von verbalen Erniedrigungen oder gar Schreiattacken abschrecken und bleibt so gut es geht an der Seite dieses „arroganten Schnösels“. Dass die Frage, wer diesen Kampf gewinnen wird, zu den spannendsten der anderthalb Stunden zählt, obwohl sie nur den Rand der Handlung streift, ist das Verdienst von An­dreas Lust, der als Verlierertype eine Galavorstellung hinlegt. Und von Alexander Adolph, der die Figur fein in der Schwebe hält und sie nie zur Karikatur verkommen lässt: Hinter dem geschiedenen Mann, den das Verbrechen so anwidert, steckt eine verletzte Seele. Und um verletzte Seelen geht es hier.

Ohnehin ist in diesem „Morgengrauen“ wenig, wie es scheint, und die Stimmungen wechseln zwischen Dur und Moll so schnell, dass man hin- und hergeworfen wird. Das wird nicht jedem Fernsehzuschauer schmecken, weil es mit liebgewonnenen Gewohnheiten bricht. Aber das macht diesen „Polizeiruf“ außergewöhnlich.