München. . Miro Nemec und Udo Wachtveitl könnte man nach 25 Dienstjahren als TV-Beamte schmähen. Doch das wäre mehr als ungerecht. Der Fall „Am Ende des Flurs“ beweist, dass das Münchner “Tatort“-Team sich immer wieder neu erfindet. Diesmal spielt Regisseur Max Färberböck eine nicht unwesentliche Rolle dabei.

Sie ist schön und so perfekt für jeden Mann, diese Lisa Brenner, weil man alle Sehnsüchte in sie hineinprojizieren kann: Sie ist Hure, Heilige, Helferin in der Not. Aber im nächsten Augenblick lächelt sie einen anderen an. Und plötzlich ist sie tot, mit dem Champagnerglas vom Balkon des zwölften Stockwerks auf den Asphalt gestürzt.

Wer war’s – die Urfrage fast aller Krimis führt bis zur Auflösung im „Tatort – Am Ende des Flurs“ (So., ARD, 20.15 Uhr) in ein Psycholabyrinth am Rande des Wahnsinns, das Max Färberböck in Text und Bild mit einer Intensität inszeniert, die einen vor dem Fernseher bannt. Und die, ganz nebenher, klarmacht, dass der Münchner „Tatort“ mit den alternden Kumpanen Batic und Leitmayr auch nach 25 Jahren noch längst nicht fertig ist.

Leitmayr hatte einstein Verhältnis mit dem Opfer

Nach langer Zeit wird’s auch mal wieder persönlich mit den beiden. Denn Leitmayr (Udo Wachtveitl) hatte etwas mit dieser Lisa Brenner, geliebt hat er sie sogar, aber am Abend ihres Todes, an dem sie ihm nach langer Zeit mal wieder aufs Band sprach, nicht zurückgerufen. Weil er schweigt, und die Sache eher zufällig auffliegt, muss er nicht nur die Dienstmarke abgeben, sondern es kracht auch mit seinem Freund und Kollegen Batic (Miroslav Nemec).

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Nun ermitteln sie parallel und stoßen dabei auf eine Männerriege unterschiedlichster Typen, die sich mit der Schönen regelmäßig trafen. Für Färberböck ist das aber mehr als ein szenisches Anrichten des klassischen Verdächtigenmenüs, der Auswahl fürs Ratespiel. Er entwickelt vielmehr eine Studie männlicher Begierden, die sich in beinahe träumerischen Rückblenden entladen. Und dafür hat er ein starkes Typenarsenal versammelt: Männer, die von ihrer Einsamkeit in die Arme der jungen Frau getrieben wurden. Darunter Franz-Xaver Kroetz, der nur noch ganz selten im Fernsehen auftritt und der mit grandioser Großkotzigkeit einen krachledernen Auftritt als Wies’n-Wirt hinlegt, ein bajuwarischer Kraftprotz par excellence.

Was Max Färberböcks Film so sehr über den deutschen Durchschnittskrimi hebt, ist aber nicht nur die mitreißende Dramaturgie dieser Geschichte, es ist die Kunst seiner Bild- und Tonmontagen, die in ihren besten Momenten mit Kamerafahrten durch lange Flure oder düstere Keller gar an die surreale Schrec­kenswelt eines David Lynch erinnert, der Bilder des Grauens wie in „Blue Velvet“ so gerne mit wehmütigen Songs unterlegt. In der Tat gibt es ein paar ausgesprochen blutige Szenen zu sehen, das dürfte mancher bemängeln. Sie werden aber nicht zum Selbstzweck, sondern vertiefen die verstörende Atmosphäre.

TatortNeue Kollegen gehen unter

Eher unpassend wirkt, dass nun ausgerechnet in diesem Leitmayr-Batic-Drama zwei neue Kollegen eingeführt werden, deren Auftritte zwangsläufig untergehen müssen: ein etwas hektischer Jungspund (Ferdinand Hofer) und eine resolute Fallanalytikerin (Lisa Wagner), die sich vielleicht in den nächsten Folgen ein paar Freiräume erarbeiten dürfen.

Nötig ist dieser frische Wind indes nicht, solange Drehbücher und Inszenierungen für die beiden Münchner „Tatort“-Kameraden eine derartige Qualität bieten.