Berlin. Ein bitterböser Blick auf Chinas Gegenwart: Xiaolu Guo hat ihr eigenes Buch, “Ein UFO, dachte sie“, verfilmt. In der Satire geht es um ein kleines Dorf, um eine vermeintliche UFO-Sichtung und um deren dramatische Folgen.
Vergnügungsparks statt Reisfelder: Zu später Stunde zeigt Arte in einer Satire, wie Chinas Provinz ins 21. Jahrhundert geschleudert wird. Mit «Ein UFO, dachte sie» (Mittwoch, 16. April, 23.25 Uhr) hat Xiaolu Guo ihren eigenen Roman verfilmt. Ihr skeptischer Blick auf die heftigen Umbrüche in ihrer Heimat brachte der 1973 geborenen Schriftstellerin international die Achtung der Literaturkritik ein. In «Ein UFO, dachte sie» (2010) geht um ein kleines Dorf, um eine vermeintliche UFO-Sichtung und um deren dramatische Folgen.
«Dreiköpfiger Vogel» ist ein entlegenes Dreckskaff ganz im Süden Chinas. Hier lebt Kwok Yun (Ke Shi) - Mittdreißigerin, Arbeiterin im Steinbruch, Single und frustriert. «Alle Männer hier sind entweder verheiratet oder uralt. Kein Mann frei!», klagt sie einem Besucher aus Peking. Der ist extra aus der Hauptstadt geschickt worden, weil Kwok Yun ein UFO, ein unbekanntes Flugobjekt, gemeldet hat.
Fünf-Jahres-Plan für einen UFO-Vergnügungspark
Sie schildert das Erlebnis so: «Es sah aus wie eine Teigtasche.» Die Begegnung mit der silbernen Scheibe macht sie bewusstlos. Dann erwacht sie neben dem amerikanischen Rucksack-Touristen Steve Frost (Udo Kier, «Die Geschichte der O»). Er ist nach einem Schlangenbiss in Lebensgefahr, sie hilft ihm. Plötzlich ist er weg. Die Behörden wollen erst abwiegeln. Doch dann gewinnt die Sache an Dynamik.
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Dank des UFO-Erlebnisses im Reisfeld interessieren sich plötzlich Medien und Investoren für das verschlafene Nest in einer bezaubernden Flusslandschaft. Busse rücken an. «Glauben Sie, das UFO kommt in Ihr Dorf zurück?» fragt eine Reporterin Kwok Yun. «Sagen Sie "Ja"!», zischt sie danach in Kwok Yun Ohr. Dorfvorsteherin Chief Chang sieht die große Chance gekommen und entwickelt einen Fünf-Jahres-Plan für einen UFO-Vergnügungspark. «Disneyland ist nichts dagegen.»
Reisfelder weichen neuen Parkplätzen
Unter Chief Changs Leitung und mit Unterstützung des verlogenen Neu-Millionärs Bill Huang weichen Karpfenteiche und Reisfelder neuen Parkplätzen und Touristenattraktionen rund um das UFO-Gelände. Der schöne Baum, über dem das Flugobjekt erschienen, ist bald gerodet und das wird bei weitem nicht die letzte Umweltsünde bleiben, damit ein paar Leute im Dorf reicher werden. Bill Huang trägt weiße Anzüge und verbreitet sein Credo: «Die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt.»
Auch für Kwok Yun geht es bergauf. War sie anfangs noch eine einsame Arbeiterin, die verstohlen Sex mit dem verheirateten Dorflehrer hatte, steigt sie nun auf in der Hierarchie des Ortes. Doch auch sie gerät schließlich in den Strudel des vermeintlichen Fortschritts.
Junge Chinesen driften in virtuelle Internet-Generation ab
«Es ist mir wichtig, das Leben junger Menschen und die politische Situation im heutigen China aufzuzeigen», sagte Xiaolu Guo vor einigen Jahren. Die selbstbewusste Filmemacherin hat ihr Handwerk an der renommierten Pekinger Filmakademie gelernt. 2002 siedelte sie für mehrere Jahre nach London über, wo sie die nationale Filmschule besuchte. «In China wissen die Menschen derzeit nicht genau, wohin die Reise geht, denn es hat sich weder der Kapitalismus durchgesetzt noch sind wir Sozialisten, sondern etwas sehr Einzigartiges.»
In dieser Gesellschaft fehlten, so Guo, vielen jungen Menschen reale Bezugspunkte, sie drifteten in eine virtuelle Internet-Generation ab. «Gerade in dieser Zeit des Umbruchs in der wir in eine ungewisse Zukunft steuern, ist es wichtig, einen eigenen Willen zu besitzen.» (dpa)