Essen. Der glücklose Markus Lanz verkündete das Aus von “Wetten, dass..?“ ganz zum Schluss. Ein charmanter Abend war es mit dieser vor-vor-vor-letzten Sendung dann doch - trotz viel Häme auf Twitter. Nur einer zeigte, dass er es vielleicht besser gemacht hätte.

Die letzte Sofaeinstellung bei Thomas Gottschalks „Wetten, dass...?“ sah in der Regel so aus: Gottschalk im Schlangenlederdreiteiler, daneben zwei Hollywood-Stars – mindestens einer davon mit tiefem Ausschnitt – und ein Popmusikgigant, der ein glitzerndes Accessoire trägt und Gottschalks Hand liegt mindestens auf einer Schulter, eher einem Knie.

Bei Markus Lanz war die letzte Sofaeinstellung an diesem Samstag dezenter, fast klassisch, wie die Szene in einem Film, in der alles kippt, ganz langsam: Alle Gäste trugen Schwarz wie es bei einer Beerdigung eben üblich ist. Allein Lanz selbst war in einen feinen, blaugrauen Zwirn gekleidet. Er hielt sich während der ganzen Sendung wie auch schon zuletzt zurück, ließ die Gäste sich selbst feiern und sich gegenseitig interviewen. Und in der letzten Minute der Sendung verkündete er, dass es nur noch drei dieser Art geben wird.

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Das Parallelfernsehen Twitter hat schon seit Monaten die Absetzung von Lanz gefordert, eine Petition dazu gab es ja auch, im Grunde ging es an diesem Abend eigentlich nur noch darum, wer den witzigsten und gemeinsten Abschiedstweet formuliert. Anwärter gab es einige, mit kulturellen Querverweisen auf den motzigen Auftritt von Bundesliga-Trainer Jürgen Klopp im ZDF in dieser Woche nach Jochen Breyers Frage: „Sind wir ehrlich Herr Klopp, das Ding ist durch oder?“

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Bei der Quote erreichte "Wetten, dass..?" zuletzt Rekordtief

Es gab aber auch Mahner, die erkannt hatten: Dieses Fernsehtwittern ist im Grunde nicht mehr als der Effekt der gegenseitigen Versicherung, der in der Menschenmasse nun einmal auftritt: „Hm, irgendwie finde ich das doof, glaub ich.“ – „Ja, ist doof“ – „Doof, ne?“ – „Sehr!“ – „Ha! Doof! DOOF!“ Früher habe man sich über die Sendung gefreut, twitterte ein Zuschauer, heute schaue man sie nur noch zum Lästern. Was man stattdessen hätte tun können: abschalten.

Viele taten das auch: Die Quote der Show, die Lanz seit anderthalb Jahren als Nachfolger von Gottschalk zu führen bestrebt war, war in der vergangenen Sendung im Februar zum ersten Mal unter die Sechs-Millionen-Marke gerutscht. Die Sendung aus Düsseldorf sahen gerade einmal 5,85 Millionen Zuschauer – ein Rekordtief. Die Zuschauer, die nicht mehr in einträchtiger Familienidylle auf dem Sofa daheim bei den faszinierenden Wetten mitfieberten wurden ersetzt von den Zutwitterern, die mit dem Laptop auf den Oberschenkeln dabei zusahen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk vermeintlich ihre Gebührengelder verbrannte.

Hape Kerkeling zeigte Unbekümmertheit, die Lanz fehlt 

Und Schuld war: Lanz. Man sollte sich aber der Frage nicht verwehren, ob „Wetten, dass...?“ – die größte TV-Show Europas und als deutsches Kulturgut im Regalfach direkt neben dem Sauerbraten – als Sendungskonzept sich nicht tatsächlich schon lange selbst überholt hat. Die Zutwitterer wünschten sich ergebnisoffen einen Ersatz für den Moderator einer Sendung, die ein großer, hüftschiefer, tränenäugiger Schäferhund ist, den auch ein neuer Trainer nicht mehr zur doppelten Seitrolle gebracht hätte.

Laut einer Umfrage, die das Magazin „Stern“ beim Forsa-Institut in Auftrag gegeben hatte, sind 42 Prozent der Bundesbürger dafür, den Unterhaltungsklassiker einzustellen. 41 Prozent sprachen sich für das Fortführen der Samstagabendsendung aus. Allein das immer wieder verwendete sperrige, ewiggestrige Wort „Unterhaltungsklassiker“ als Rettungsanker könnte allerdings schon stutzig machen.

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Ein charmanter Abend war es mit dieser vor-vor-vor-letzten Sendung von „Wetten, dass...?“ aber im Grunde doch: Der „Shoppingqueen“-König und Designer Guido Maria Kretschmer plauderte von seinen Ersatzkindern, seinen Windhunden, Hollywood-Schauspielerin Cameron Diaz blieb länger als erwartet und machte sogar bei dem Spielchen mit, so zu tun, als würde sie tatsächlich einer der Wetter mit einem Cabrio zum Flughafen Lahr fahren – und nicht ihr Bodyguard in einer Limousine.

Hape Kerkeling brühte Kerkeling-Klassiker in einem Schlager-Medley auf, versprühte eine Unbekümmertheit, die Lanz schon lange nicht einmal mehr vorspielen kann, plauderte mit den Kinderwette-Zwillingen Nick und Tom, die ihre Gedächtnis-Wette verloren und versprach zum Trost Wangenküsschen von Cameron Diaz – am Ende wurden aber High Five daraus.

Veronica Ferres muss bald Reis werfen 

Veronica Ferres und Annette Frier stellten jeweils halbkühl ihren jeweiligen neuen Fernsehfilm vor, in dem sie jeweils sich selbst nur mit einem anderen Namen spielen werden – eine irgendwie von der Welt enttäuschte Frau, die doch eigentlich nur Liebe sucht und dabei einen zweifelhaften Kerl trifft und eine etwas chaotische aber sympathische Mutter.

Und die aufgedrehte Popmusikerin Anastacia stellte ihr neues Lied „Stupid Little Things“ vor, das sich auf Anhieb gut mitsingen lässt, weil es angenehmerweise tonal direkt an einen seiner Vorgänger („Left Outside Alone“) anschließt.

Kapitän gewinnt Wette in letzter Sekunde

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Die meisten Wetten waren solide: aus dem Toaster fliegenden Toast aufspießen mit Pfeil und Bogen, aus einer Gesamtmasse von 50 Liedern dasjenige erkennen, dessen Beat der Kollege per Bremspedal mit der Bremsleute seines Autos morst, hartgekochte Eier mit einer Peitsche köpfen. Aber auch: die Außenwette in Emden, bei der ein Kutterkapitän mit seinem Schiff feinmotorisch genug hantierte, um ein Buddelschiff in eine Flasche zu schieben und dort aufzurichten. Der Kapitän gewann die Wette entspannt in der letzten Sekunde.

Ferres’ Wetteinsatz: Reiswerfen vor einem Münchner Standesamt für ein frischvermähltes Paar – Kerkeling musste als Strafe fürs Verwetten ein Taxiunternehmen anrufen, um ein Taxi für Diaz zu bestellen.

Lanz zerhüpfte seine Moderationskarten 

Und, das Highlight der Sendung, das auch mit dem Titel Wettkönig belohnt wurde: Die Darbierung von drei Turnern aus Kiel – Luai Attila Baker, Thore Gauch und Ha van Duc – die ein Glas halbleer tranken, indem sie mit Strohhälmen im Mund immer wieder Salti über die Theke schlugen.

Frier lag mit ihrer Prognose zwar richtig, am Ende folgten ihr aber alle in den Wetteinsatz: Powertrampolin-Springen. Sie und Anastacia hopsten spaßig zusammen auf einem Trampolin herum, alle anderen nahmen es ein bisschen ernster, und Lanz zerhüpfte seine Moderationskarten.

Ein bitterschöner Gedanke zum gemeinsamen Untergangsgucken an diesem Samstagabend: Für die melancholische Rückblicken in der Zukunft sollte man sich schonmal merken, wo man gewesen ist bei der letzten Folge von „Wetten, dass...“ mit Lanz.

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Jawohl, wir alle waren dabei, als ein mitteljunger, seitengescheitelter Mensch sich nicht von der Showsofakante stürzte, sich nicht entleibte, sich nicht entblödete. Sondern gegen 22.55 Uhr erklärte: „Das war ,Wetten, dass...?’ aus Offenburg. Wir gehen jetzt in die Sommerpause und sehen uns am 4. Oktober wieder mit den letzten drei Ausgaben von ,Wetten, dass...?’“.

Nun steht also nicht nur der Abschied von Markus Lanz fest, sondern der Abschied des kompletten Unterhaltungsklassikers "Wetten, dass...?", den Frank Elstner 1981 erfand, Gottschalk zur Wohnzimmerkuschelgefühligkeit führte und Lanz nun beenden wird. Ein letzter Trost:

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