Essen. Der Mann beherrscht die Nachrichten, bestimmt die weltpolitischen Schlagzeilen. Nach seinem Krim-Coup rätselt der Westen: Was will Wladimir Putin? Wie konfus die Meinungsbildung hierzulande verläuft, war eindrucksvoll beim ARD-Talk von Sandra Maischberger zu besichtigen. Chaotischer geht’s nimmer.

Wladimir Putin spricht ausgezeichnet deutsch, das hat er als KGB-Agent in der DDR gelernt. Nehmen wir also für einen Moment an, der Kreml-Chef hätte die Zeit und die Muße, sich im Fernsehen „Menschen bei Maischberger“ anzuschauen - immerhin geht es dort am späten Dienstagabend um ihn und seine Annexion der Krim. Was würde sich dieser Wladimir Putin wohl denken? Eines ist sicher: Dem alten Geheimdienst-Fuchs würde gefallen, wie verzweifelt die Deutschen versuchen, sich ein Bild von dem Mann im fernen Kreml und von seinen Plänen zu machen.

„Müssen wir Angst vor Putin haben?“, will Talkmasterin Maischberger von ihren Gästen wissen. Die klarste Meinung dazu hat CDU-Politikerin und Vertriebenenfunktionärin Erika Steinbach: „Putin ist ein Unglück für Russland.“ In Moskau herrsche sogar eine „Putinkratie“. Der Präsident mache den Massenmörder Stalin wieder hoffähig und da gelte es, „allergrößte Vorsicht walten zu lassen“. Das mag man so sehen oder auch nicht – auf jeden Fall ist es so ziemlich die einzige klare Aussage in 80 Minuten weitgehend sinnfreien Fernsehminuten - was an den Gästen, aber auch an der Gastgeberin liegt. Aber der Reihe nach.

Peter Scholl-Latour philosophiert vor sich hin

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Da ist mit Horst Teltschik, der inzwischen seit gut 20 Jahren als „Ex-Kanzlerberater“ zu Zeiten Helmut Kohls durch die Talkshows der Republik geistert. Er erinnert an die Perestroika-Politik eines Michail Gorbatschow in den 80er-Jahren, die den Zerfall der Sowjetunion einleitete. „Das ist ein Trauma für die Russen“, weiß Teltschik wenig originell beizutragen.

Ihm gegenüber sitzt der Journalist und Buchautor Peter Scholl-Latour, der gern eingeladen wird, wenn es um exotische Regionen geht. Einmal murmelt er etwas von „Putin-Bashing“, um wenig später über „diese armen Krim-Tataren“ zu philosophieren, die er im Zweiten Weltkrieg traf. Noch später landet er beim Irak des Jahres 2002 und bei den Roten Khmer in Kambodscha. Scholl-Latour war immer vor Ort.

Gregor Gysi hat "keine Angst vor Putin"

Dass der russische Journalist Wladimir Kondratiev brav seinen Präsidenten in höchsten Tönen lobt, weil er dem „Hilferuf“ von der Krim gefolgt sei, überrascht nicht besonders. „Die Krim bleibt russisch auf ewig“ schwärmt Kondratiev mit brüchiger Stimme, „das ganze Volk feiert nun den Beitritt.“ So hören sich Sieger an.

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Gregor Gysi, der sich in den Tagen zuvor mit EU- und USA-kritischen Worten in die Rolle des Putin-Verstehers argumentierte, bleibt auffallend blass. Der Linke-Frontmann glaubt, der Westen werde sich mit der Annexion der Krim „irgendwann abfinden“. Sicher, der russische Präsident mache sich in der Ukraine des Völkerrechtsbruchs schuldig, aber, so Gysi: „Ich habe keine Angst vor Putin.“ Meistens aber leistet sich Gysi kleine, aber spitze Wortgefechte mit seinem ostdeutschen Landsmann, dem Grünen-Politiker und Ex-DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz.

Maischbergers Gäste überfordern die Gastgeberin

So geht das in einer Tour, mit zunehmender Sendezeit wird auch gern zu dritt oder zu viert im Chor geredet, was den Vorteil hat, dass man nichts mehr versteht. „Ich hatte doch vorher gesagt, dass wir nicht schreien“, fleht eine überforderte Sandra Maischberger in die Runde, die das aber wenig stört. Der Gastgeberin gelingt es kaum einmal, Struktur in die Diskussion zu bringen, stattdessen hechelt sie ihren Gästen hinterher. „Sie galoppieren ein bisschen schnell“, merkt sie einmal fast hilflos an, bevor der Talk in ein vielstimmiges Chaos zerfällt. Da ist es schon kurz nach Mitternacht – und Wladimir Wladimirowitsch Putin, wenn er denn zugeschaut hatte, liegt sicher schon im Bett. Und träumt von der Krim.