Jerusalem. Der Hauptdarsteller im ARD-Film “Jerusalem-Syndrom“ ist die uralte Stadt selbst, mit ihrer ganz besonderen Atmosphäre. Auf seelisch labile Personen kann die “goldene Stadt“ einen gefährlichen Sog ausüben - und bringt hier Leonie Benesch als schwangere Deutsche in die Fänge einer Sekte.

Eine blonde Schwangere in einem wallenden weißen Kleid läuft barfuß und verzweifelt durch die Straßen der Jerusalemer Altstadt. Mit dieser dramatischen Szene beginnt der Thriller "Das Jerusalem-Syndrom", der an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) im "Ersten" zu sehen ist. "Helfen Sie mir, bitte helfen Sie mir", ruft sie immer wieder Passanten zu. Später wird deutlich, dass die junge Frau - die auch noch Maria heißt - im religiösen Wahn ist und glaubt, dass sie als Gottesmutter den Messias gebären wird.

Sie landet prompt in einer psychiatrischen Klinik, die sich auf solche Fälle spezialisiert hat. Dort wird Maria (Leonie Benesch) von dem einfühlsamen Psychiater Uri Peled (Benjamin Sadler) behandelt, der fließend Deutsch spricht, weil er in Tübingen studiert hat.

Syndrom kann gefährliche Verhaltensweisen auslösen

Bei dem sogenannten "Jerusalem-Syndrom" handelt es sich um eine psychische Störung, die mitunter bei Besuchern des Heiligen Landes und vor allem Jerusalems auftritt. Die besondere Atmosphäre der "goldenen Stadt", die den drei Weltreligionen heilig ist, kann bei manchen Menschen Wahnvorstellungen auslösen. Meistens handelt es sich dabei aber um bereits psychisch labile Personen. Sie halten sich mitunter für biblische Figuren oder haben wahnhafte Heilsideen. Oft "verfliegt" der Wahn, nachdem sie Jerusalem wieder verlassen haben.

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Meist harmlos, kann das Syndrom aber auch gefährliche Verhaltensweisen auslösen: Ein Australier setzte etwa 1969 die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalems Altstadt in Brand. Er glaubte, im göttlichen Auftrag zu handeln und so die Wiederkehr des Messias zu beschleunigen.

In den Fängen einer christlichen Sekte

Auch in der Kriminalgeschichte des Südwestrundfunks treibt der religiöse Wahn gefährliche Blüten. Die instabile Maria ist in den Fängen einer christlichen Sekte, deren Führer Peter (Clemens Schick) Jerusalem "von Juden und Muslimen befreien" will - notfalls mit Gewalt. Er hat seine eigenen Pläne mit Marias Baby und lässt sie aus der Klinik entführen.

Ihre ältere Schwester, die deutsche Biologin Ruth Gärtner (Jördis Triebel), kommt nach Israel, um die hochschwangere Maria aus der Sekte zu befreien. Dabei gerät sie aber selbst in Gefahr: Als Marias ehemaliger Chef sie bei einem heimlichen Treffen warnen will, wird er brutal ermordet. Ruth selbst kann dem mysteriösen Angreifer nur knapp entkommen. Die zunächst sehr spröde und rational wirkende Frau öffnet sich im Verlauf des Films und knüpft auch zarte Bande zu dem Psychiater. Bei dem Versuch, ihre Schwester zu verstehen, muss sie sich der gemeinsamen schwierigen Familiengeschichte stellen.

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Auf Deutsch, Hebräisch und Englisch

Besonders an dem von Oliver Berben produzierten Film ist, dass er im "babylonischen" Stil gedreht wurde - die Figuren sprechen überwiegend in ihrer Muttersprache. Der Film ist also auf Deutsch, Hebräisch und Englisch, es wird nichts synchronisiert. Dadurch wirkt der Film des israelischen Regisseurs Dror Zahavi authentisch, obwohl die Figuren mitunter etwas überzeichnet erscheinen. Zu der Wirkung tragen die Schönheit, religiöse und kulturelle Vielfalt sowie die besondere Atmosphäre der Stadt Jerusalem und ihres Umlandes bei.

Jerusalems Altstadt mit dem Tempelberg und der Klagemauer gilt als politisches Pulverfass. "Das Jerusalem-Syndrom ist unter anderem auch ein Film über religiösen Fanatismus und seine Gefahr für die Region und die Welt, und daher hat er natürlich eine politische Aussage", sagt Zahavi. "Er zeigt, wie gefährlich dieser Fanatismus ist." (dpa)