Essen. Erdrutschsieg für Angela Merkels CDU und die FDP ist nicht mehr im Bundestag. Wie geht es weiter mit Deutschland? Koaliert die Kanzlerin mit den Grünen oder der SPD? In Günther Jauchs Polittalk im Ersten gab es darüber nur wenig Aufschluss - ein Problem war die fehlerhafte Besetzung der Plätze.
Eigentlich wollten sie sich alle gar nicht festlegen, weil die endgültigen Ergebnisse der Bundestagswahl zum Zeitpunkt der Sendung noch gar nicht festgestanden haben, weil sich die Mehrheitsverhältnisse noch ändern konnten. An dieser Haltung konnte auch Moderator Günther Jauch am Sonntagsabend nichts ändern. CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der ehemalige FDP-Innenminister Gerhart Baum, Moderatorin Bettina Böttinger und „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo brachten wenig Licht ins Dunkel. Das war auch nicht möglich, denn das größte Problem von Günther Jauchs Polittalks in der ARD war die fehlerhafte Besetzung.
Über künftige Koalitionen kann nur sinnvoll geredet werden, wenn alle im Bundestag vertretenden Parteien auch zu Gast sind. Vertreter der Grünen und der Linken waren gar nicht präsent, die FDP kann wohl nicht mehr mitreden. Das machte eine potentielle Koalitionsbildung so kurz nach der Wahl noch schwieriger.
Zunächst ging es aber überhaupt nur sehr entfernt um Koalitionsbildungen jeglicher Art. Bettina Böttinger und Giovanni di Lorenzo analysierten die Geschehnisse recht treffend, historisch sei der Abend gewesen. Vor allem das Ausscheiden der Liberalen aus dem Bundestag, das zum Zeitpunkt der Sendung bereits sehr wahrscheinlich war, machte den Gästen der Talkrunde zu schaffen. „Eine ganz finstere Woche für die FDP“, befand di Lorenzo, der Rösler völlige Hilflosigkeit attestierte. „Er hat so getan, als ginge es um Deutschland, dabei ging es für ihn in der letzten Woche nur ums Überleben seiner Partei.“
Scheitern der FDP bewegte Jauchs Talkrunde
Die Gründe für das Scheitern waren schnell ausgemacht. „Der Liberalismus hat sich auf andere Parteien wie die Grünen, die Piraten oder die AfD aufgeteilt“, meinte di Lorenzo. Gerhart Baum, ehemaliger FDP-Innenminister unter Helmut Schmidt, sprach ebenfalls von einer Wählerwanderung. „Das ist eine ganz tiefe Zäsur“, so Baum, der sichtlich geschockt war. Beinahe schon nostalgisch wirkte da das eingespielte Filmchen über die Geschichte der Liberalen und ihre einst so bedeutende Rolle, ob in der Regierung oder in der Opposition. „Mir tut es sehr leid für die FDP“, sagte Finanzminister Schäuble, dessen CDU der liebste Koalitionspartner abhanden gekommen war.
Doch genug der Trauer um die Gelben, der Abend bot noch andere Verlierer. „Die Grünen waren völlig von der Rolle in diesem Wahlkampf, sowohl was die Inhalte als auch was den Umgang mit problematischen Momenten anging“, fand di Lorenzo. Was hatte der Abend stattdessen gezeigt? „Angela Merkel ist nicht zu schlagen“, so Böttinger. „Und die Deutschen wollen erst einmal keine Experimente wagen.“ so Böttinger. Die Wähler seien anscheinend nicht so unzufrieden mit dem derzeitigen Zustand der Republik.
Kaum Andeutungen auf mögliche Koalitionspartner
Was mögliche Koalitionen betraf, verhielten sich die Gäste mehr als zurückhaltend und gaben bestenfalls eine grobe Richtung vor. Schäuble blieb Merkels Linie treu und wiederholte, was die Kanzlerin bereits in mehreren Interviews nach ihrem Wahlsieg erklärt hatte: „Bevor die Ergebnisse nicht abschließend ausgewertet sind, machen wir keine Aussagen.“ Die Große Koalition liegt nahe, auch wenn SPD-Kanzlerkandidat sich bislang weigerte, in dieser Konstellation einen Ministerposten zu übernehmen. Wowereit zeigte sich da schon offener, in Berlin regiert er zusammen mit der CDU. „Grundsätzlich ist es aber so, dass bei einer Großen Koalition eher politischer Stillstand droht als in anderen Konstellationen.“
Bundestagswahl 2013Ganz klar machte aber auch Wowereit, dass Rot-Rot-Grün nicht in Frage kommt. „Wir koalieren auf Bundesebene nicht mit den Linken.“ Eine Aussage, die auch Steinbrück zuvor noch einmal bekräftigt hatte. Damit bliebe der CDU die Koalition mit den Grünen, doch da kein Grüner zu Gast war, wurde diese Frage ebenfalls vertagt.
Moderator Günther Jauch war wenig hartnäckig in seinen Nachforschungen, wohl auch, weil er bei Schäuble auf Granit biss. „Das ist ein außergewöhnlich gutes Ergebnis für die Union, und dabei belassen wir es heute erst einmal“, so sein abschließender Kommentar. Das Koalitions-Wirrwarr, es wird wohl schnell genug kommen.