Essen. „Das letzte Wort“ (Freitag, Arte, 20.15 Uhr) ist mehr Kammerspiel als Thriller. Der Film besticht mit geschliffenen Dialogen und starken Schauspielern. Regisseur Didi Danquart verzichtet fast vollkommen auf schnörkelhafte Ausschweifungen, was der theologische Auseinandersetzung um Leben und Tod zugute kommt.

Das sieht doch erstmal nach einem Krimi von der Stange aus. Ein Toter, wahrscheinlich Opfer eines Raubmordes und ein eher biederes Polizistenduo, das seinen Bruder befragt; der Mann ist Weihbischof und glaubt, der Anschlag habe ihm gegolten. Ermittlungsrituale nehmen ihren Lauf. Wenig später aber, als ein junger Mann den Geistlichen in seinem Haus mit einer Waffe bedroht und ihm sagt „Ich werd’ Sie töten, aber vorher müssen Sie mir noch helfen, die Welt zu verstehen“, beginnt ein Rededuell, das man so tiefsinnig, verstörend und packend im Fernsehen weiß Gott nicht alle Tage erlebt, wenn überhaupt: „Das letzte Wort“ (Arte, 20.15 Uhr) von Didi Danquart, ein Thriller als intensives Kammerspiel.

Vermeintliche Gewissheitenwerden in Frage gestellt

Eine theaterhafte Inszenierung, die sich äußerer Schnörkel fast vollständig verweigert und den rhetorisch geschliffenen Dialog zum Treiber der Geschichte macht, da braucht es besonders starke Darsteller im Zentrum des Geschehens. Im mächtigen Thomas Thieme („Das Leben der anderen“) und dem jungen Münchener Bühnenschauspieler Shenja Lacher hat Danquart zwei Gegenspieler auf Augenhöhe gefunden.

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Thieme ist der in sich ruhende Bischof, erfahren und scheinbar unerschütterlich in seinen Standpunkten, Lacher der blitzgescheite Aufrührer, der die moralisch-ethischen Gewissheiten seines Gegenübers in Frage stellt und den alten Herrn in die Defensive zwingt, aus der dieser sich nur mühsam befreit.

Worum geht es?

Der junge Mann, der sich als LKA-Ermittler vorstellt, entpuppt sich kurz darauf als ehemaliger Häftling und damit auch als Mordverdächtiger. Er sperrt den Würdenträger ein und verwickelt ihn in ein Streitgespräch über Schuld und Sühne, über Moral und Verantwortung, über existenzielle Grundfragen der Religion. Der Geiselnehmer wirft dem Bischof vor, er habe vor Jahrzehnten ein Mädchen gegen dessen Willen ermutigt, ein Kind auszutragen und es dann zur Adoption freizugeben.

Ist es am Ende die verwahrloste Frau, die just am Abend zuvor in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, vergeblich um ein Gespräch mit dem Bischof gebeten hatte und dort starb? Ist der Mann mit der Waffe in der Hand gar ihr Sohn, ein Mensch auf der Schattenseite des Lebens, den es gar nicht gäbe, wenn die damals junge Mutter das Kind abgetrieben hätte?

Siebzig Minuten schwerer Stoff

Das ist schwerer Stoff. Und eine siebzig Minuten lange Debatte nach kurzem Vorspiel, die nur für Augenblicke unterbrochen wird, wenn die Polizei fahndet, mag sich nach einer intellektuellen Herausforderung anhören. Zumal das Fernsehen sein Publikum oft genug mit optischen Reizen überflutet und das genaue Zuhören zu selten trainiert wird.

Doch die theologische Auseinandersetzung um Leben und Tod, um Lehre und Praxis ist kein dröger Diskurs. Sie ist spannend und überfordert keineswegs, weil sie sich stets nachvollziehbar am eigentlichen Fall orientiert, der die Widersprüchlichkeiten im Grundsätzlichen offenbart: Wäre das Leben der Frau nicht viel glücklicher verlaufen, wenn sie nicht auf den Kirchenmann gehört hätte?

Danquart und Drehbuchautor Paul Hengge sind klug genug, sich auf keine Seite zu schlagen, sondern das Dilemma nur abzubilden und dem Zuschauer selbst zu überlassen, welche Position er bezieht. So funktioniert Fernsehen in seiner besten Form.