Berlin.. Er war Zeitsoldat, studierte Psychologie und ist heute aus der Szene großen deutschen Kabarettisten nicht wegzudenken: Georg Schramm ist ein moderner Klassiker des Kabaretts. In eine Schublade einordnen lässt er sich darum noch lange nicht. Ein Gespräch.

Man hat fast vergessen, dass der studierte Psychologe einst erfolglos mit seinem Kabarett durch die Provinz tingelte. Aber dann bekam Georg Schramm beim Fernsehen den Fuß in die Tür. „Scheibenwischer“ und „Anstalt“ ließen seine Typen zu Kultfiguren werden. Jakob Buhre traf Schramm, der ab 2014 keine Solo-Tourneen mehr plant, zum Gespräch.

Herr Schramm, wenn Sie auf die vergangenen 20 Jahre zurückschauen, wie hat sich Ihr Humor verändert?

Georg Schramm: Mein Humor hat mich ein bisschen verlassen. (lacht) Ich bin fatalistischer geworden. Und meine Pointendichte hat sich nicht unbedingt vergrößert.

Was an Ihren Auftritten ist vermeintliche, was tatsächliche Aufregung?

Schramm: Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen meiner persönlichen Empörung über ein Thema und der Aufregung, der ich dann in der Nummer Ausdruck gebe. Ich rege mich grundsätzlich nur über Sachen auf, die mich auch interessieren. Im Sketch sind die Aufreger natürlich gespielt, die muss man auch genau dosieren, weil man ja nur eine bestimmte Zahl von Sätzen zur Verfügung hat. Man darf nicht vergessen, dass zum Beispiel auch jemand wie Chruschtschow seinen Wutausbruch vor den Vereinten Nationen mit dem Schuh vorher geübt haben soll. Angeblich hat auch Norbert Blüm seine Aufreger vorher vor dem Spiegel geübt. (lacht)

„Rösler, Lindner, solche Gestalten...“

Es ist bei Ihnen also die privat-persönliche Aufregung, aber in komprimierter Form?

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Schramm: Ganz genau, in komprimierter, fernsehgemäß domestizierter Form. Es ist die Überspitzung dessen, was ich meine und glaube, es ist polemisiert und es ist eine Aufforderung, sich damit auseinanderzusetzen.

Stimmt der Eindruck, dass in Ihren Augen die politische Klasse von Grund auf schlecht, ja böse ist?

Schramm: Nicht grundsätzlich. Aber es ist eine Ansammlung von Leuten, die charakterliche Defizite haben. Das ergibt sich aus der Art und Weise, wie man sich verhalten muss, damit man als Politiker Karriere macht. Die Zahl der Seiteneinsteiger in der Politik wird immer seltener und für den Aufstieg innerhalb der Politik braucht man Charaktereigenschaften wie zum Beispiel Herr Söder, Philipp Mißfelder, Rösler, Lindner und solche Gestalten.

Politik deformiert ihre Protagonisten

Sie würden diesen jungen Politikern nicht zubilligen, dass Sie am Allgemeinwohl interessiert sind?

Schramm: Das würde ich bei denen, die ich genannt habe, geradewegs in Abrede stellen. Wobei ich mich mit dem „von Grund auf“ schwer tue. Ich glaube, es gibt keine Eltern, die ihren Kindern absichtlich so etwas antrainieren würden, das sind immer Fehlentwicklungen. Es gehen vielleicht viele mit guten Absichten in die Politik, werden dann aber deformiert. Der politische Betrieb, wie wir ihn haben, hat Persönlichkeitsbeeinträchtigungen zur Folge.

Gibt es Ausnahmen?

Schramm: Ganz wenige, die sind schon relativ alt und aus dem politischen Alltagsbetrieb raus. Erhard Eppler und Egon Bahr gelten als große Köpfe der Sozialdemokratie, aber das sind alte Männer. Und Heiner Geißler, dem würden seine eigenen Leute am liebsten Rattengift geben.

Welchen Anteil an Ihrer Polemik hat denn Beleidigung?

Schramm: Bei mir? Ich finde, relativ wenig (lacht) – falls Sie das überrascht.

Beleidigung ist kein Bestandteil der Auftritte

Ist Beleidigung etwa kein wichtiger Bestandteil Ihrer Auftritte?

Schramm: Nein.

Auch nicht bei Guido Westerwelle oder Angela Merkel, die Sie als „Furunkel am Gesäß des Bösen“ bezeichnen?

Schramm: (lacht) Das finde ich besonders gelungen. Bei dieser Textstelle ging es um die Frage: Ist die Bundesregierung das Böse in der heutigen Zeit? Und dann stelle ich fest: Nein, ist sie nicht, denn dafür ist die Regierung viel zu kleinteilig.

Das Kabarett hatte für Sie lange eine Ventilfunktion.

Schramm: Ja, aber vielleicht ist der therapeutische Effekt nach all den Jahren so groß, dass die therapeutische Selbstbefriedigung allmählich ihre Folgen zeigt und ich trotz Zuspitzung der Krise gelassener werden und sagen kann: „Ich muss nicht mehr dabei sein, es gibt genug junge Leute, die das machen.

„Waffen sind eine persönliche Macke von mir.“

Sie haben ein Faible für Waffen.

Schramm: Ja. Das ist eine persönliche Macke von mir.

Werden Sie denn im Ruhestand vielleicht Jäger?

Schramm: Nein. Ich schieße nur auf Scheiben, Blechtiere und auf kaputte Tontöpfe. Auf sonst nix.

Aber das machen Sie tatsächlich?

Schramm: Ab und zu ja. Und hin und wieder am Geburtstag. (lacht)