Hamburg. . Udo Lindenberg ist seit 40 Jahren im Geschäft – als Panik-Rocker. Seine Karriere begann bei Jazz-Legende Klaus Doldinger, und beinahe wäre Uns Udo in der Versenkung verschwunden, wäre nicht sein inzwischen verstorbener Bruder Erich ins Spiel gekommen. Eine ARD-Doku aus der Reihe “Poplegenden“ zeichnet ein bemerkenswertes Porträt des Musikers.

Udo Lindenberg hat die deutsche Rock-Szene so sehr geprägt wie kaum ein zweiter Künstler. In diesem Jahr feiert er sein 40-jähriges Jubiläum als „Panik-Rocker“ (Lindenberg über Lindenberg). Was seine Biografie noch bedeutend interessanter macht: Deutschlands berühmtester Schlapphut-Träger stand vor wenigen Jahren vor dem körperlichen Ruin wie vor dem künstlerischen Aus.

Doch er kehrte zurück – und das „Stark Wie Zwei“ (Titel seines Comeback-Albums). Filmemacher Lutz Rosenkranz würdigt das sensible Raubein in der ARD-Reihe „Poplegenden“ (Mittwoch, 22.45 Uhr) mit einer bemerkenswerten Doku.

Rosenkranz kommt schnell zum Punkt. Aktuelle Live-Bilder zeigen, was Lindenberg auf der Bühne ausmacht. Er inszeniert sich, mit Schlapphut und stilisierter Kapitänsuniform, als wieder erkennbare Rock-Ikone. Dazu kommen seine demonstrativ lässigen Bewegungen.

Filmemacher begleitete Lindenberg über Jahre

Obendrein hat Lindenberg seine Auftritte stets als Rock-Theater verstanden – von Anfang an. Seine Bühnen-Artisten – von Rudi Ratlos bis Elli Pirelli – hat der Show-Mann von der Straße weg gecastet; nicht alle, arbeitet Rosenkranz heraus, vertrugen ihren schnellen Ruhm.

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Rosenkranz hat den 67-jährigen Musiker über Jahre begleitet, Mitarbeiter wie Bodyguard Eddy Kante interviewt und Weggefährten wie Peter Maffay und Nina Hagen. Seine Erkenntnisse hat Rosenkranz in 45 Minuten verdichtet.

Maestro steht Rede und Antwort – manchmal sogar ohne Sonnenbrille

Was die Doku auszeichnet, ist nicht nur der direkte Zugang zum Maestro, der Rosenkranz im Hamburger Atlantic-Hotel Rede und Antwort steht, zuweilen sogar ohne die obligatorische Sonnenbrille. Weit mehr zeichnet sich der Film dadurch aus, dass Lindenbergs Schwester Inge ihre Sicht der Dinge beisteuert: In der tiefsten Krise half Udo Lindenberg der Kontakt zu seinem todkranken, inzwischen verstorbenen Bruder Erich, sein Leben wieder auf Kurs zu bringen, in dem er Teufel Alkohol abschwor.

Das hat Inge Lindenberg, wie sie weicher, warmer Stimme versichert, „ein Hochgefühl“ beschert: „auch dass er jetzt auf sich aufpasst“. Zuvor hatte Lindenberg mit Sex & Drugs & Rock’n’Roll das Klischee vom wilden Leben eines Pop-Stars nach Kräften bedient.

Sein Weg in eine Musikkarriere war wenig überraschend. Lindenbergs Vater Gustav liebte Jazz und nahm den Filius schon in jungen Jahren mit in Konzerte. Erstaunlicherweise verfügte ausgerechnet das kleine Gronau über einen Jazz-Keller. Schon als Jugendlicher ertrommelte sich Udo Lindenberg einen guten Ruf als Jazz-Drummer – so gut, dass ihn Jazz-Legende Klaus Doldinger verpflichtete.

Als Sänger machte er Nuscheln zur Kunstform

So richtig Fahrt nahm Lindenbergs Karriere aber erst auf, als er zum Rock-Rebellen wurde. Als Sänger erhob er Nuscheln zur Kunstform und gab der Rock-Musik einen hörbar selbstbewussten deutschen Akzent. Rosenkranz gesteht Lindenbergs Texten zu, „wie Auszüge aus Tagebüchern ganzer Generationen“ zu sein.

Lindenberg in Oberhausen

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Was Rosenkranz stärker hätte herausarbeiten können: Lindenberg gefiel als kraftvoller Sprücheklopfer im Comic-Stil den Jungs, zugleich flogen ihm als feinfühliger Schreiber unsentimentaler Balladen die Herzen der Mädchen zu. Obendrein trug der Bahnreisende im „Sonderzug nach Pankow“ mehr zur Wiedervereinigung bei als mancher Politiker.

Heute ist Lindenberg für die Szene wie ein großer Bruder, der junge Talente fördert, „ein Typ, der 40 Augen hat“, wie Soul-Man Jan Delay bewundernd feststellt. Lindenbergs Autorität erhöht, dass er sich bei allen Häutungen treu geblieben ist: „Ich liebe hohe Spannung und stehe meistens unter Strom.“