Hamburg. Die Kunst von Olli Dittrich ist es, in tausend verschiedene Rollen zu schlüpfen ist legendär - und das treibt er in seiner neuen Show “Frühstücksfernsehen“ auf die Spitze. Im Interview erklärt er, warum er Menschen, die er durch den Kakao zieht, mögen muss - und echte Komik selten aus dem lauten Kracher-Gag, sondern aus der Entschleunigung entsteht.

Der 56-jährige Olli Dittrich hat mehrfach Fernsehgeschichte geschrieben: mit „Samstagnacht“ für RTL, mit „Blind Date“ fürs ZDF und, vor allem, mit „Dittsche“ für den WDR. Sein neuestes Projekt „Frühstücksfernsehen am Abend“ (Montag, ARD, 23.30 Uhr) hat gute Chancen, daran anzuknüpfen. Im Gespräch erlebte Jürgen Overkott einen nachdenklichen Komiker, der mit Liebe zum Detail penibel an seinen Beiträgen gefeilt hat – ein Loriot der Gegenwart.

Das „Frühstücksfernsehen“ präsentiert Sie wieder einmal als Verwandlungskünstler. Herr Dittrich, wer sind Sie - und wenn ja, wie viele?

Olli Dittrich: Meine Vorliebe, mich in andere Menschen zu verwandeln, gibt es seit meiner Kindheit. Das war für mich keine akademische Aufgabe, für die ich lernen musste. Das ist eher eine Begabung, eine Veranlagung. Ich bin wahrscheinlich eine unendliche Menge anderer Menschen, sofern ich etwas an ihnen finde, meistens etwas Komisches, das ich wiedergeben möchte. Das gilt aber auch für tragikomische oder ernste Figuren, natürlich auch für Parodien realer Personen.

"Frühstücksfernsehen" soll absolut echt wirken

Was ist Ihnen bereits in Kindertagen an anderen Menschen aufgefallen?

Dittrich: Lange bevor ich zum Fernsehen kam, habe ich Stimmen imitiert, bin so gelaufen wie eine bestimmte Person oder habe mich so benommen wie sie - weil ich etwas Komisches daran gesehen habe. Ich folge immer den Dingen, die mir besonders auffallen, die mir besonders Freude machen.

Damit sind Sie unverwechselbar geworden.

Dittrich: Das, was mir Spaß macht, geht von der klassischen Sketch-Comedy inzwischen eher weg. Ich habe Spaß daran, wiederzugeben, was im wahren Leben passiert - oder in der Kolportage des Lebens durch das Fernsehen. Es wählt Dinge aus und zeigt sie. Und manchmal müssen die Macher eines aktuellen Magazins ihre feste Sendezeit auszufüllen, über Dinge berichten, die vielleicht gar nicht berichtenswert sind. Immer da, wo etwas mehr von der Behauptung als vom Inhalt lebt, wird es komisch. Wir haben versucht, unser „Frühstücksfernsehen“ so zu machen, dass es auf flüchtige Betrachter absolut echt wirkt, weil es nur ganz leicht, an der hoffentlich richtigen Stelle übertreibt. Dinge zu zeigen, die im normalen Fernsehen besonders laut und seriös präsentiert werden, obwohl sie mitunter völlig belanglos sind. Und daher unfreiwillig komisch.

Muss man fernsehsüchtig zu sein, damit einem die Brüche auffallen?

Dittrich: Nein, man muss nur richtig hingucken. Das sind ja Dinge, die uns allen zur Verfügung stehen, die jeder jeden Tag sehen kann - nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Supermarkt, auf dem Spielplatz, bei der Arbeit, im Sportverein oder wo auch immer.

Frühstücksfernsehen mit Olli Dittrich

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In "Frühstücksfernsehen" schlüpft der Humorist und profilierteste Verwandlungskünstler der TV-Gegenwart am 6. Mai in neun verschiedene Rollen. Dies natürlich immer auf die Dittrich ganz eigene, liebevolle wie komische Art, für die die Menschen ihn seit über 20 Jahren bewundern und verehren. - hier als neuer HVS Fussballstar "Pipo" (Edson Santiago Piporente de la Paz). © WDR/Beba Franziska Lindhorst
Er parodiert alles, was Millionen Zuschauer jeden Morgen lieben: von den Moderatoren und Magazinbeiträgen über Berichte aus Politik und Gesellschaft, Prominente und Menschen wie Du und ich, bis hin zu täglichen Ritualen und Ratespielen in der Sendung. Olli Dittrich als Bürgermeisterin Ingrid Höffelhuber.
Er parodiert alles, was Millionen Zuschauer jeden Morgen lieben: von den Moderatoren und Magazinbeiträgen über Berichte aus Politik und Gesellschaft, Prominente und Menschen wie Du und ich, bis hin zu täglichen Ritualen und Ratespielen in der Sendung. Olli Dittrich als Bürgermeisterin Ingrid Höffelhuber. © WDR/Beba Franziska Lindhorst
Im Studio wird Olli Dittrich von Schauspielerin und Komikerin Cordula Stratmann als Co-Moderatorin
Im Studio wird Olli Dittrich von Schauspielerin und Komikerin Cordula Stratmann als Co-Moderatorin "Claudia Akgün" unterstützt. © WDR/Dietmar Seip
Olli Dittrich als Aussenreporter Sandro.
Olli Dittrich als Aussenreporter Sandro. © WDR/Beba Franziska Lindhorst
Olli Dittrich als Bürgermeisterin Ingrid Höffelhuber.
Olli Dittrich als Bürgermeisterin Ingrid Höffelhuber. © WDR/Beba Franziska Lindhorst
Olli Dittrich als Regisseur Maximillian van Klaaden.
Olli Dittrich als Regisseur Maximillian van Klaaden. © WDR/Beba Franziska Lindhorst
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Und dennoch gibt es höchst unterschiedliche Arten, derlei Beobachtungen komisch zu überhöhen.

Dittrich: Mein Humor hat eine ganz bestimmte Temperatur und eine ganz bestimmte Farbe, die halt meinem Gusto entspricht. So machen es andere auch, so entsteht im besten Falle ein eigener Stil. Ich verzichte lieber auf den schnellen oder lauten Gag in Wort, Ton und Bild. In der Entschleunigung und Zurücknahme liegt große Komik, das ist eher mein Ding. Wer sich darauf einlässt, kommt ganz sicher auch auf seine Kosten.

„Frühstücksfernsehen ist auch keine Medienkritik, erst recht kein Kabarett"

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Parodien können auch eine dunkle Seite haben.

Dittrich: Klar. Warum auch nicht? Eine Parodie ist für meinen Geschmack dann besonders gelungen, wenn man das Original erkennt. Ich versuche stets, mich meinen Figuren nicht zynisch oder sarkastisch zu nähern. Das schwächt in Wahrheit das Spiel. „Frühstücksfernsehen“ ist auch keine Medienkritik, erst recht kein Kabarett. Das ist nicht mein Parkett, das können andere bedeutend besser.

Mischung aus Kür und Pflicht 

Mögen Sie die Personen und die Typen, die sie persiflieren?

Dittrich: Ja, klar. Gerade wenn man feinere Zwischentönen in der Parodie nutzen möchte, ist grundsätzliche Sympathie zur Figur ein guter Ratgeber. Wenn ich eine bayerische Bürgermeisterin spiele, die ein Lärmschutzkonzept entwickelt hat, über das man eigentlich nur den Kopf schütteln kann, dann muss sie dennoch liebevoll gespielt werden. Zynismus zerstört meist die Komik; weg ist die Fallhöhe - und der Beitrag kaputt.

Wie war das bei der Vorbereitung auf Ihre Sendung: Haben Sie beim „Frühstücksfernsehen“ gelitten oder gelacht?

Dittrich: Sowohl als auch. Es war eine Mischung aus Kür und Pflicht.

Wann haben die Vorarbeiten begonnen?

Trailer Frühstücksfernsehen mit Olli Dittrich

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    Dittrich: Vor einem dreiviertel Jahr saß ich am Tisch mit einem weißen Blatt Papier vor mir. Ich habe über ein Format nachgedacht, das mir die Möglichkeit gibt, mich in viele Figuren zu verwandeln. Das war die Ausgangssituation. Dann kam die Idee mit dem „Frühstücksfernsehen“: Ein solches Magazin ist ein gutes Gefäß. Es gibt mir die Möglichkeit, „echte“ Beiträge zu drehen und in den unterschiedlichen Reportagen unterschiedliche Genres zu berühren und Typen und Themen in den Mittelpunkt zu stellen - Kultur, Politik, Sport, Gesellschaft. Dazu kommen ein Nachrichtenblock, ein Experten-Gespräch im Studio, ein Gewinnspiel, einen musikalischen Gast am Ende auf „der kleinsten Bühne der Welt“. Und natürlich Moderatoren, die alles zusammenhalten. Unendlich viele Möglichkeiten zur Persiflage.

    Wie sind die Dreharbeiten abgelaufen?

    Dittrich: Einerseits mit dem größtmöglichen Spaß aller Beteiligten, andererseits gehört natürlich wie immer auch viel Fleiß und Disziplin dazu. Die Feinarbeit bei einzelnen Szenen muss einfach schon in der Idee stimmen, sonst haben Sie beim Drehen Mühe und können im Schnitt auch nichts mehr retten. Und natürlich muss man sich vorher die Frage stellen: Wo will man damit überhaupt hin, kann sich ein solches Format irgendwie von anderen unterscheiden? Eine hundertsiebzigste Sketch-Show brauche ich nicht zu machen, das haben andere schon oft und sehr viel besser gemacht.

    Sie haben das Programm zusammen mit dem WDR für die ARD entwickelt. Wie viel Selbstironie haben die Programm-Verantwortlichen?

    Dittrich: Schon sehr viel. Ich bin dem WDR wirklich dankbar, das kann ich ganz unverblümt sagen. Es gibt ja allein schon wegen „Dittsche“ seit Jahren eine enge Verbundenheit. Mir wurde sehr viel Vertrauen entgegengebracht, und ich durfte wirklich in Ruhe und mit jeder denkbaren Unterstützung frei und ungestört arbeiten. Das ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, und ich hoffe, dass ich mit dem Endergebnis dieses Vertrauen bestätigen kann.

    Neue Figuren verfolgen Dittrich im Schlaf 

    Sie haben einst bei RTL angefangen. Wie unterscheidet sich die Arbeit?

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    Dittrich: Wir waren damals die Glücklichen mit der Gnade der frühen Geburt. Anfang der 90er-Jahre - das war die Blütezeit des Privatfernsehens. RTL kam ganz groß raus. Viele Formate - vom Nachmittagstalk bis zur nächtlichen Comedy - waren damals vollkommen neu im deutschen Fernsehen. Ich bin zu dieser Zeit - wie die Jungfrau zum Kind - beim Fernsehen gelandet, eigentlich bin ich ja Musiker. Ich hatte ein Filmchen gedreht, das wiederum Wigald Boning zu sehen bekam. Er hat mich dann mitgenommen, zum Casting nach Köln. Das war der Anfang. Und bei RTL hatten wir damals ein wirklich warmes Nest, mit Marc Conrad als Programmchef, Hugo Egon Balder und Jacky Dreksler als Producer. Das waren tolle, innovative Leute, ohne die ich heute nicht da wäre, wo ich bin. Ich habe unendlich viel gelernt in diesen Jahren. Wir wurden von der Kette gelassen und gleichzeitig beschützt. Grandiose Zeit, tolle Verhältnisse. Sowas gibt es heute beim Fernsehen eher selten, da hat sich sicher Einiges verändert.

    Auch Ihr Stil.

    Dittrich: Meine Arbeit heute hat sicher mit dem, was ich vor 20 Jahren gemacht habe und was wir heute im Privatfernsehen in der klassischen Sketch-Comedy sehen, nicht mehr so viel zu tun. Ich habe mich einfach in eine ganz andere Richtung weiterentwickelt. Ein klassischer Comedian war ich ja nie. Außerdem hat mich Regiearbeit zunehmend interessiert.

    Mussten Sie sich aus dem Bett quälen, um das Original-Frühstücksfernsehen zu sehen?

    Dittrich: Nein, nein, gelegentlich zappe ich da sowieso rein, weil ich Frühaufsteher bin.

    Wie lange brauchen Sie, um sich eine Figur draufzuschaffen?

    Dittrich: Ach, das geht schnell, wenn alles stimmt. Da wird nichts vor dem Spiegel geübt, das wäre eher hinderlich. Es geht ja zunächst um Beobachtung und Auswahl der richtigen Typen. Dann muss das Ganze reifen, bis hin zur Maske. Und wenn alles fertig ist, ist es im besten Fall keine Kunstfigur mehr, sondern ein glaubwürdiger Mensch. Ich bewege mich dann so wie er, spreche so wie er, auch in den Drehpausen. Ein echter, aber sehr hilfreicher Defekt würde ich sagen.

    Wenn Sie eine Rolle zu Ende gespielt haben, können Sie sie dann ablegen wie den Bademantel von „Dittsche“?

    Dittrich: Bei „Dittsche“ geht's recht einfach, bei anderen Figuren manchmal nicht ganz so flott. Das dauert immer einen Moment, kommt darauf an, ob sie gänzlich neu sind oder schon mal aufgeführt wurden. Die wohnen regelrecht in mir und werden nur kurz wachgerüttelt.

    Träumen Sie manchmal von Ihren Figuren?

    Dittrich: Ja, manchmal schon. Gerade jetzt in der letzten Zeit, in der wir die Beiträge geschnitten haben. Ich weiß nicht, wieviel Stunden ich im Schneideraum gesessen habe, irgendwann haben sie mich dann auch im Schlaf verfolgt.