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Dittsche „Kult“ zu nennen, wäre die reine Untertreibung. Bei Menschen, die ihn mögen, ist er längst Familienmitglied geworden. Er kommt daher wie eine Diskriminierung von Hartz IV auf zwei Beinen, dabei ist er der Don Quijote von Hamburg-Eppendorf.

Hamburger Bademantel, ausgelatschte Pantinen, Bierpullen im Plastikbeutel - und dann redet er auch noch, ma sogn, dumm Tüch, lauter haarsträubend dummes Zeug: Dittsche kommt daher wie eine Diskriminierung von Hartz IV auf zwei Beinen.

Dabei ist er das glatte Gegenteil. Dittsche, das ewige Stehaufmännchen, unternimmt eine Ehrenrettung der Abgehängten und Verstolperten in diesem Land. Er ist der Don Quijote von Hamburg-Eppendorf, der sich mit seinen abstrusen Erfindungen und Weltsichten gegen die widersträubende Wirklichkeit zur Wehr setzt. Der Bierernst, mit dem dieser geborene Verlierer bei aller faktischen Unfähigkeit an seinen großen Ideen und Plänen herumspintisiert, lässt jeden Guido Westerwelle dastehen wie das wirklich wahre Plappermaul.

„Ah, Chefvisite!”

Dittsche dagegen schließt man merkwürdiger Weise in sein Herz, obwohl man ihn im Leben nicht mal an die Brust drücken würde. Aber es genügt ja vollauf, wenn wir ihn jetzt mit der 13. Staffel wieder in Ingos Grillstation schlurfen sehen, während der erdverbundenste aller Fernsehköche von seinen Fritteusen aufblickt und ihm entgegenruft: „Ah, Chefvisite!”

Es hat allerdings eine ganze Weile gedauert, bis wir begriffen haben, dass Dittsche eine ironische Antwort auf die im deutschen Fernsehen am häufigsten vorkommenden Sendeformen ist: Talkshows und Kochsendungen.

Wenn Dittsche sich mal duschen und einen Anzug überstreifen würde, wäre er von einem echten Talkmaster nicht mehr zu unterscheiden, jedenfalls nicht anhand der Sätze, die er so von sich gibt. Näher am „wirklich wahren Leben“ ist jedenfalls keine der unzähligen Quasselrunden. Und Ingo, der Chef der Imbissbude, zeigt mit jeder weiteren Sendung, dass das ganze Gemüsegeschnipsel, Balsamicogegacker und Brutzel-Gewese auf allen Kanälen gar nicht nötig wäre – ein Spitzenkoch wie er macht die Menschen im Vorbeigehen lecker satt.

Dittsche „Kult“ zu nennen, wäre die reine Untertreibung. Bei Menschen, die ihn mögen, ist er längst Familienmitglied geworden, und es hat Parties gegeben, deren größte Pointe darin bestand, dass einer breitbeinig in den Knien federnd dastand, die Arme weit ausbreitete, als sollte die halbe Welt darin Platz finden, und nichts weiter sagen musste als: „Das ist das Stichwort: Er ist ein reiner Titan!“

Der Philosoph und
die Tücke des Objekts

Und je häufiger draußen vor der Imbissbudentür Typen das große Wort führen, die aus heißer Luft Gold zu machen versuchen, desto heftiger fliegen Dittsche die Herzen zu, der das nicht so gut zu beherrschen scheint wie den umgekehrten Trick. Dittsche ist der philosophische Clown, der unverdrossen mit der Tücke des Objekts kämpft (auch wenn sie manchmal ein Subjekt zu sein scheint und „Frau Karger“ heißt). Er ist, selten genug heutzutage, ein Idealist. Und das gibt diesem stets aufs neue scheiternden König des Halbwissens jene tragische Fallhöhe, die wirklich gute Komik nunmal braucht.

Wie jeder Don Quijote aber hat auch Dittsche einen bauernschlauen Sancho Pansa an seiner Seite, der weiß, wie man bequemer und einfacher durchs Leben kommt. Schildkröte, der Mann mit der Jacke aus Krokodilleder-Imitat, ist der wahre Genießer. Er weiß, was es in Zeiten des allgegenwärtigen Geschwätzes dazu braucht: Einfach mal den Mund halten.