Essen. Macht sich Deutschland mit dem Prozess gegen die NSU-Terroristin Beate Zschäpe lächerlich? Dieser Frage wollte ARD-Talkmaster Frank Plasberg bei “Hart, aber fair“ nachgehen. Doch seine Gäste beschränkten sich auf Schuldzuweisungen. Zschäpes Anwältin enttäuschte die Angehörigen der Opfer.
Dröge, emotional und ein Innenminister, der sich peinlich aus der Affäre zu ziehen versucht, die Sendung „Hart aber fair“ hatte alles, um mehr als interessant zu werden. Trotzdem musste sie sich über weite Strecken abstrampeln, um über Wasser zu bleiben. Dabei sorgte schon der Titel für Aufmerksamkeit. „Pleite beim Nazi-Prozess – macht Deutschland sich lächerlich?“, so lautete das Thema Sendung am Montagabend.
Aufgrund der aktuellen Situation, dass der Prozess um Beate Zschäpe auf den 6. Mai verschoben werden musste, ging Moderator Frank Plasberg detailliert auf das Thema ein. Zschäpes Anwältin Anja Sturm erklärte, ihre Mandantin werde im Prozess nicht aussagen. Sturm äußerte zwar Verständnis dafür, dass die Angehörigen der Opfer auf eine Aussage von Frau Zschäpe hoffen. "Natürlich verstehen wir das als Menschen", sagte sie. Es sei aber ein Problem jedes Strafprozesseses, dass diese "nur ein Stück weit aufklären" könnten und die Opfer nicht immer alles erfahren könnten, was sie gerne erfahren möchten.
Verständnis für Polizeifehler und Lob für Gerichte
Das war aber auch alles, was die Sendung an Neuigkeitswert zu bieten hatte. Die am Montag verkündete Verschiebung des Prozesses war da schon fast ein glücklicher Zufall: Wie sonst hätten die fünf Personen in der Runde die ersten 20 Minuten füllen können?
Auch so hangelten sich Sebastian Edathy vom NSU-Untersuchungsausschuss, Gisela Friedrichsen, Gerichtsreporterin für den Spiegel, Rainer Wendt, Vorsitzender der Polizeigesellschaft und der bayrische Innenminister Joachim Herrmann von Verständnis für die Polizeifehler über Lobhudeleien auf die deutschen Gerichte bis hin zum Vergleich der NSU-Morde mit einem Zugunglück.
An der Stelle, bevor Plasberg eingreifen kann, kam endlich Aufregung in die bis dahin dröge Debatte. Die fünfte Beteiligte und Opfer des Nagelbombenanschlags von Köln, Hülya Özdag, klinkte sich ein. „Sie vergleichen ja wohl nicht brutale Morde mit einem Zugunglück?“, fragte sie empört. Hülya Özdag, so traurig ihr Schicksal sein mag, war der Lichtblick der Sendung. Mutig vertrat sie ihre Interessen und die der Angehörigen der Opfer. Außerdem war sie die Einzige, die klar und deutlich die Frage beantwortet hat: „Ja, Deutschland und vor allem seine Behörden sind mitverantwortlich. Und ja, Deutschland macht sich teilweise lächerlich.“
Am Ende sind sich alle einig
Erst jetzt kamen die anderen vier in Schwung, auf den letzten Metern konnte sich die Sendung noch ein wenig retten. Und dass obwohl die Polizei die Fehler den Politikern zuschiebt, diese aber die Fehler wieder zurückschiebt. Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister, versuchte auf Angriff zu gehen, bezeichnete die Fehler der Polizei als „keinen klugen Ansatz“. So erntete er nur entsetztes Aufstöhnen des Publikums. Bezeichnend, dass es ausgerechnet der Politiker ist, der sich ins Aus schießt – schließlich steht er doch auch zum Teil für Deutschland.
Am Ende sind sich alle einig: So etwas wie die NSU-Morde darf nie wieder passieren. Und der Staat und seine Behörden dürfen nie wieder so die Augen verschließen vor einer allzu deutlichen Möglichkeit. Und der Zuschauer kann nur hoffen, dass die nächste Talkrunde zu einem solch aufreibenden Thema meinungsintensiver wird. (mit Material von dpa)