München. Das Oberlandesgericht München hat den Beginn des NSU-Prozesses vom 17. April auf den 6. Mai verschoben. Das haben Prozessbeteiligte am Montag mitgeteilt. Grund ist der Streit um die Presseplätze. Die Akkreditierung beginnt nun von vorn.

Der Prozess um die Neonazi-Mordserie beginnt später als geplant. Das Oberlandesgericht München verschob den Auftakt am Montag auf den 6. Mai. Es sei ein neues Akkreditierungsverfahren für Journalisten notwendig, teilte das Gericht am Montag mit. "Dies ist bis zum geplanten Hauptverhandlungsbeginn am 17. April 2013 zeitlich und organisatorisch nicht mehr möglich", heißt es in dem OLG-Beschluss.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Freitag einer Beschwerde der türkischen Zeitung "Sabah" im Grundsatz stattgegeben. Demnach muss das Münchener Gericht "eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern" vergeben. Türkische Medien hatten sich darüber beschwert, dass sie keinen direkten Zugang zum Prozess erhalten hatten. Mehrere Opfer waren türkischer Herkunft. Der Prozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sollte am Mittwoch beginnen.

Die Verschiebung des NSU-Prozesses kann nach Ansicht der Grünen Zweifel etwa in der Türkei am deutschen Rechtsstaat zerstreuen. "Wenn die Verschiebung dazu beiträgt, dass es noch Vertrauen in den Rechtsstaat gibt, ist es positiv", sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt am Montag in Berlin.

Die SPD hat die Verschiebung des NSU-Prozesses wegen einer Neuregelung bei der Platzvergabe an Journalisten als richtige Entscheidung begrüßt. "Wichtig ist, dass jetzt auch den ausländischen Medien ausreichend Plätze zur Verfügung gestellt werden", sagte Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag in Berlin. "Die türkischen und griechischen Medien haben ein berechtigtes Interesse, an dem Prozess teilzunehmen. Es ist ein gutes Signal, dass das Gericht jetzt darauf Rücksicht nimmt."

Für die türkischen Zeitung "Sabah" ist die Entscheidung des Münchner Oberlandesgerichts zur Verschiebung des NSU-Prozesses nur die zweitbeste Lösung. "Meine Mandantin bedauert natürlich, dass der Prozess verschoben wird", erklärte der Anwalt der Zeitung, Ralf Höcker, am Montag. "Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wäre es nicht unbedingt notwendig gewesen, das Akkreditierungsverfahren zu wiederholen. Aus unserer Sicht ist das nur die zweitbeste Lösung."

NSU-Opfer wollen staatliches Versagen thematisieren 

Der rechte Terror der NSUIm Prozess um die Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) wollen die Angehörigen eines NSU-Opfers auch staatliches Versagen zum Thema machen. Semiya und Kerim Simsek erklärten am Montag in München über ihre Anwälte, zwar säßen die Sicherheitsbehörden in dem Verfahren gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer nicht auf der Anklagebank. "Und dennoch werden sie auch Fragen zum Versagen staatlicher Behörden stellen, weil diese Fragen gestellt werden müssen", hieß es weiter.

Die Geschwister forderten das Gericht auf, solche Fragen zuzulassen. Semiya und Kerim Simsek sind die Kinder des Blumenhändlers Enver Simsek, der im September 2000 als erster von neun Migranten von der NSU ermordet worden sein soll. Sie werden zusammen mit vielen anderen Angehörigen als Nebenkläger in dem am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München beginnenden Prozess auftreten.

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Semiya und Kerim Simsek forderten das Gericht auf, "menschlich und sensibel" mit den Opfern des NSU umzugehen. Die Geschehnisse der vergangenen Wochen mit dem Streit um die Sitzplatzvergabe an Journalisten hätten Anlass zur Sorge gegeben. Auf sie habe die Reaktion des OLG auf die öffentliche Kritik an der Sitzplatzvergabe und an der Wahl des Prozesssaals arrogant gewirkt. (we/dpa/afp/rtr)