Essen. Schicksalsjahre einer deutschen Familie will das ZDF beschwören. Doch die Nazi-Zeit missrät zur Kitsch-Kulisse, zum Vehikel für Auftritte von Nadja Uhl und Iris Berben. Die gibt noch als Sippenhäftling im KZ die feine Dame, am Ende mit einer ergraute Strähne im Haar. Das ist bestenfalls oberflächlich berührend.

Warum tut sich das deutsche Fernsehen so schwer mit Stoffen aus der Nazi-Zeit? Oft, weil die Stoffe so überladen sind und wie vollgesogen mit Moral. Diesmal ist es umgekehrt.

Das ZDF nimmt deutsche Geschichte zu leicht und missbraucht sie zur besten deutschen Leidenszeit am Ostermontagabend (20.15 Uhr) als Kulisse, um die schönen Augen von Nadja Uhl und den alterslosen Charme von Iris Berben vorzuführen.

„Ein weites Herz“ schildert die wahre Geschichte der großbürgerlichen Familie Vermehren, gerafft auf die Kriegsjahre 1939 bis 1945. Vordergründig geht es um Tochter Isa, die als freche Sängerin mit ihrem Akkordeon Agathe zumindest ein bisschen die Nazi-Proleten verulkt und am Ende für den Rest ihres 91 Jahre währenden Lebens ins katholische Kloster geht, lange Jahre das „Wort zum Sonntag“ spricht.

Kein Mensch stirbt, nicht im KZ, nicht auf dem Todesmarsch

In den „Schicksalsjahren einer deutschen Familie“ (Untertitel) steckt also mehr als genug drin für zwei Stunden Unterhaltung mit Anspruch. Interessiert das ZDF aber alles nicht. Hauptsache Nadja Uhl. Die spielt mit 40 die beim Kriegsausbruch 20 Jahre jüngere Isa, ein Besetzungswitz also.

Dann die Bilder einer Berliner Boheme, die noch mit selbstbeschäftigt ihr Silber putzt, als die Menschen in der Stadt im Bombenhagel verbrennen. Und gepflegte Kulissen. Alte Audis qualmen übers Kopfsteinpflaster.

Iris Berben gibt noch als Sippenhäftling im KZ die feine Dame, am Ende mit einer ergraute Strähne im Haar. Nach all dem Ergrauen trinkt Familie Vermehren wieder Kaffee auf ihrem Landsitz, wo immer sie den am Kriegsende auch her hat.

Während der Schicksalsjahre von 1939 bis 1945 stirbt in der ZDF-Fassung unglaublicherweise kein einziger Mensch, nicht einmal im Konzentrationslager oder auf dem Todesmarsch. Am Ende verschwunden ist nur Isas Freund, der nicht in den Krieg ziehen wollte. Fragt aber keiner richtig nach, er gehörte ja auch nicht zur feinen Familie Vermehren.