Essen. Ängstliche Eltern und gepamperte Kinder: Bei “Hart aber fair“ diskutiert Frank Plasberg über die Generation Weichei. Ex-Super-Nanny Katharina Saalfrank fordert mehr Freiräume für Kinder und bekommt Unterstützung. Ein Wer-wird-Millionär-Kandidat macht die Medien für “Weicheier“ mitverantwortlich.

Die Angst ist ständiger Begleiter. Angst auf dem Schulweg, Angst auf dem Spielplatz, Angst um die Zukunft der Kinder. Wird der Nachwuchs heute zu sehr behütet? Trauen Eltern ihren Kindern zu wenig zu? Oder sind sie sogar in der Pflicht, die Sprösslinge vor den Anforderungen und Gefahren des Lebens so gut und so lange wie möglich zu beschützen? Über diese Fragen diskutierte Frank Plasberg in seiner letzten Hart-aber-fair-Sendung vor der Sommerpause am Montagabend mit seinen Gästen unter dem Motto: „Umsorgt vom Kreißsaal bis zum Hörsaal – kommt jetzt die Generation Weichei?“

Zwischen Kreißsaal und Hörsaal liegt der Spielplatz, der mittlerweile anders aussieht als noch vor einigen Jahren. Weiche Gummiböden und abgerundete Klettergeräte – standen früher vor allem Abenteuerlust, Freiheit und Nervenkitzel im Vordergrund, werden Kinderspielplätze heute in erster Linie unter Sicherheitsaspekten entworfen. „Kinderbeschäftigungsanstalten“ nennt ein Spielplatzbauer das abwertend im Einspielfilm. Von Abenteuer keine Spur. Der Spielplatz als Sinnbild für den gesellschaftlichen Wandel.

Ex-Super-Nanny Katharina Saalfrank findet, Eltern trauen ihren Kindern zu wenig zu

Für Ex-„Super Nanny“ Katharina Saalfrank ist klar: „Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Eltern sind oft zu ängstlich, sie trauen ihren Kindern zu wenig zu.“ Doch die diffuse Angst, es könnte etwas passieren, schaukelt immer mit. Und sie ist auch auf dem Schulweg ständiger Begleiter, weshalb immer mehr Kinder mit dem Auto bis vor das Schultor gefahren werden und im Dunkeln nicht mehr draußen spielen dürfen, wie Studien belegen. „Daran sind nicht nur die Eltern schuld“, rechtfertigt sich Journalistin und Buchautorin Inge Kloepfer und erhält Unterstützung von Bastian Bielendorfer, der erst als Kandidat bei „Wer wird Millionär“ und später als Buchautor („Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof“) für Aufsehen sorgte: „Auch die Massenmedien schüren Ängste“, weil etwa Missbrauchsfälle viel öffentlicher würden als früher, was auch gut sei.

Trotzdem findet Maren Heinzerling eine solch ängstliche Grundhaltung gefährlich: „Eltern übertragen die Ängste auf ihre Kinder“, fürchtet die 1938 geborene Mutter von zwei Kindern. Als gelernte Eisenbahningenieurin schaffte sie es, sich in einer Männerwelt zu behaupten. Eltern sollten ihren Kindern ein „begründetes Selbstbewusstsein“ vermitteln, sie fördern, aber auch fordern. Dass dazu aus ihrer Sicht auch echte Verträge mit dem Nachwuchs über die Aufteilung der Hausarbeiten gehören, sorgte in der ARD-Runde noch für allgemeine Erheiterung. Mit der Meinung, dass ihr auch die eine oder andere Ohrfeige des Bruders nicht geschadet habe, stand sie allerdings recht alleine da.

Die Kinder werden älter, die Sorgen werden größer

Unabhängig davon meint auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, dass viele Ängste der Erziehungsberechtigten unbegründet seien. Der Gymnasialdirektor aus Bayern meint, dass Kinder viel häufiger ermuntert werden sollten, zu sagen: „Ich schaff‘ den Weg alleine“ – auch im übertragenen Sinne.

Denn die Sorgen der Eltern werden nicht geringer, wenn die Kinder älter werden. Im Gegenteil: Ab der ersten Klasse wird um jede Note gefeilscht, das Abi ist das Maß aller Dinge. Nicht selten muss ein Richter heutzutage über eine Versetzung oder eine Abiturnote entscheiden. „Kinder werden früh auf Noten reduziert“, kritisiert Inge Kloepfer. Eltern verhielten sich also nur rational, wenn sie als Anwälte ihrer Kinder aufträten.

Werden Gymnasiasten zu lange "gepampert"?

Aber wird der Nachwuchs nicht insgesamt zu lange „gepampert“, fragte Plasberg? Schließlich endet die Rund-um-die-Uhr-Fürsorge oft nicht einmal auf dem Campus. Längst bieten zahlreiche Hochschulen eigene Elternabende an. Für Inge Kloepfer ist das nur die logische Schlussfolgerung aus Turbo-Abitur und immer früherer Einschulung. Manch Student ist noch gar nicht volljährig, wenn die erste Vorlesung beginnt.

Auch Josef Kraus sieht diesen „Beschleunigungswahn“ kritisch. Zudem würden besonders Gymnasiasten zu lange „gepampert“ und zu spät auf das Berufsleben vorbereitet. Darüber hinaus falle es Eltern, die im Durchschnitt immer weniger Kinder haben, entsprechend schwerer, sich von ihrem Nachwuchs abzunabeln.

Am Ende steht eine Erkenntnis, die nicht neu ist

Eine „Generation Weichei“ fürchtet Inge Kloepfer trotzdem nicht. „Kinder nehmen sich ihre Freiheiten wenn sie wollen und nabeln sich ab. Das eine schließt das andere nicht aus“, ist die Journalistin und Autorin („Glucken, Drachen und Rabenmütter“) überzeugt.

Bleibt die Frage nach der richtigen Erziehungsmethode, der richtigen Mischung aus Schutz und Freiheit. Eine wirkliche Antwort hatte niemand darauf. „Mehr Regeln und Rituale“ forderte Gymnasialdirektor Josef Kraus. Für Katharina Saalfrank und Inge Kloepfer stehen dagegen Dialog und Kommunikation im Mittelpunkt. „Die Eltern sollten selbst entscheiden, wie sehr sie sich kümmern“, sagte Inge Kloepfer. Um genau zu sein, müssen sie das sogar. Und das ist keine neue Erkenntnis, die "Hart aber fair" da lieferte.