Köln. Schauspielerin Sandra Borgmann spricht im Interview über Heimat, Geld und das Ruhrgebiet. In ihrer neuen Serie “Die Lottokönige“ spielt sie eine Mutter, die mit ihrer Familie versucht, einen Lottogewinn zu verheimlichen.

Eine schrecklich nette Familie aus Essen-Steele gewinnt 12 Millionen Euro. Niemand soll davon erfahren. Ruhrgebiet lass nach! In sechs Folgen schickt der WDR "Die Lottokönige" los, ihr Glück zu begreifen. Sandra Borgmann spielt Mutter Claudia König – ein Gespräch über Heimat und die Leute von nebenan.

Wie bekommt man als Schauspieler so einen Ruhrgebiets-Charakter hin, welche Zutaten gehören dazu?

Sandra Borgmann: Ich komm ja da wech. Mein Vater kommt aus dem Sauerland, meine Mutter aus Mülheim. Zu Hause haben wir zwar nicht so extrem gesprochen. Aber das Ruhrgebiet ist mir ganz nah. Und die Sprache im Drehbuch passte einfach. Die Lottokönige sind ja adaptiert von einer Wiener Serie, aber die Autoren müssen am Ruhrgebiet angedockt sein, sonst hätten sie das so nicht hingekriegt. Und sonst: Ruhrpott ist halt eine bestimmte Art.

Schon mal so Leute getroffen wie die Königs?

Borgmann: Die gibt’s ja überall. Ich bin grade umgezogen nach Hamburg-Eppendorf. Setz mich auf den Balkon und rauch eine. Gucke gegenüber auf das Haus, und auf dem Balkon steht ein älteres Paar, er sehr dick. Sie gucken die Straße runter. Nichts zu sehen. Dann geht sie rein und holt ein Fernglas und guckt in mein Haus! Ins Erdgeschoss glücklicherweise und erzählt ihrem Mann darüber was. Lacht dann, er lacht auch, bringt das Fernglas wieder rein und kommt mit einem Kaffee wieder raus. Es ist ja wirklich so, hier wie in Hamburg: Die Menschen, die am Fenster sitzen, vor oder hinter ihren Gardinen. Ruhrgebiet ist Gardinenland. Die Gardinen waren übrigens der Hauptgrund, warum ich weggezogen bin aus dem Ruhrgebiet. Ich hab sie nicht mehr ausgehalten. Aber dann hat es im Rückblick auch was nettes. Ich hätte auch entsetzt sein können über dieses Paar, aber dann hab ich gelacht und dachte, es ist ein bisschen wie zu Hause.

Eignet sich das Ruhrgebiet besonders für Comedy?

Borgmann: Ich weiß nicht, ob regionaler Humor überall funktioniert. Als ich in den Neunzigern angefangen hab zu drehen, mein erster Tatort, eine kleine Rolle bei Bienzle, wir waren beim SWR, Kostümanprobe. Ich hab in den Spiegel geguckt und gesagt: Das ist scheiße. Weil man das so sagt bei uns. Das passt nicht – war das, was ich sagen wollte. Und wollte einfach das Kleidungsstück ablegen und was neues anprobieren. Es hat die Kollegin aber gekränkt. Die Schwaben reden so nicht miteinander. Das muss man auch lernen, es funktioniert nicht überall das gleiche.

Die Königs gewinnen im Lotto. Geld eröffnet Möglichkeiten, öffnet die Welt. Ist das der Grundkonflikt: Geld gegen Heimat?

Borgmann: Claudia bekommt Fernweh, will nach Hawaii. Und zur gleichen Zeit philosophiert sie im Friseursalon darüber, ach, wie gerne sie nach Kettwig ziehen würde. Karibik oder Kettwig also. Aber Urlaub hat ja nichts mit Heimat verlassen zu tun. In Bezug zu ihrem Leben, das sie tatsächlich lebt, denkt sie nicht weiter als Kettwig. Raus aus Steele, und an die Ruhr. Der Lottogewinn berührt eher andere Aspekte von Heimat. Das Bezugssystem, in dem die Königs gelebt haben. Man könnte ja aufhören zu arbeiten. Aber damit wird der ganze Lebenssinn in Frage gestellt.

Was würden Sie mit zwölf Millionen machen? Würden Sie’s anderen erzählen?

Borgmann: Ich habe keine Idee, ungelogen, keine Idee.