Essen. . Wenn ein grausamer Diktator auch Frauen vergewaltigt, führt er ein Doppelleben. Dieser Meinung ist zumindest RTL und hat eine Reportage auch so genannt. „Das Doppelleben des Diktators – Antonia Rados auf den Spuren des Vergewaltigers Gaddafi“ ist jedoch eher ein Film über die Reporterin, als eine Enthüllungsstory.

Es sollte ein Film werden über das Doppelleben des libyschen Diktators Muammar Gaddafi. Herausgekommen ist ein Beitrag über die Arbeit von RTL-Reporterin Antonia Rados. Was der Kölner Sender am Montagabend um 22.15 Uhr in einem Extra Spezial ausstrahlt, hätte dem Zuschauer auf seriöse Weise eine weitere Facette des grausamen, Frauen misshandelnden Machthabers liefern können. Unterm Strich ist die Reportage jedoch nicht über den Rand des Spekulativen und Boulevardesken herausgekommen.

Antonia Rados geht seit Jahrzehnten dorthin, wo es weh tut. Es gibt kaum einen Krisenherd der Welt, an dem die Österreicherin nicht gestanden hat. Das ist zweifelsohne mutig und hat der Journalistin nicht zu Unrecht Respekt und Anerkennung eingebracht. Allerdings schwang bei ihren Berichten immer mal wieder der Hang zur nervtötenden Selbstinszenierung mit. Wer gehofft hatte, dass sich diese Eitelkeit mit zunehmender Erfahrung als Kriegsberichterstatterin ausgewachsen hätte, wurde eines Besseren belehrt.

„Ein stimmungsvolles Liebesnest“

Ab der ersten Minute ist in der Reportage kein Mensch häufiger zu sehen als die Berichterstatterin selbst. Antonia Rados, wie sie durch die Straßen von Tripolis geht, wie sie im Taxi sitzt und wie sie mit Opfern Gaddafis spricht – dabei stets die Handtasche mit versteckter Kamera geschultert, um dem Zuschauer Aufnahmen von Bäuchen und Ellenbogen zu präsentieren. Insgesamt sind die Bilder nicht immer überzeugend. Auf einer sogenannten Farm außerhalb der Hauptstadt sollen Gaddafi und seine Geheimdienstleute in Zelten und Pavillons wilde Partys mit verschleppten Mädchen gefeiert haben. Wirkliche Beweise dafür werden nicht geliefert. Vieles bleibt vage, dazu schwenkt die Kamera über eine Szenerie, die aussieht wie das Sommerfest des Bundespräsidenten nach einem Hurrikan.

Hinzu kommen überflüssige Kommentare der Journalistin aus dem Off, die dem Beitrag die letzte Seriösität nehmen. Als ein mit Stühlen und einem Tisch bestückter Empfangsraum einer Wohnung auf dem Campus der Universität gezeigt wird, in der Gaddafi Studentinnen missbraucht haben soll, unterstreicht Rados die wenig spannende Sequenz folgerichtig: „Sieht normal aus“. Wenig später kommt ein Schlafzimmer ins Bild, in dem Gaddafi seine schmutzigen Spielchen getrieben haben soll. „Ein beinahe stimmungsvolles Liebesnest“, urteilt die Reporterin an dieser Stelle allen Ernstes. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das Programm zu wechseln oder auszuschalten.

Enthüllt wird in Gaddafi-Reportage bei RTL nicht viel

Es ist selbstverständlich eine journalistische Leistung, auf Basis einer Aussage eines Taxifahrers eine Geschichte darüber zu recherchieren, wie Muammar Gaddafi sich Mädchen und junger Frauen aus Schulen, Mädchenheimen und der Universität von Tripolis bediente, um sich an ihnen zu vergehen. Dabei auch Aussagen von Opfern und Mitwissern zu bekommen, ist eine solide Arbeit, die man bei dem Titel der Reportage auch allerdings erwarten kann. Doch mal im ernst: Was hat man von einem Despoten wie Gaddafi erwartet? Ein Mann der sein Volk systematisch über Jahrzehnte hinweg mit Hilfe eines riesigen Sicherheitsapparats unterdrückte, Regimegegner foltern und töten ließ. Da ist es – bei aller Verwerflichkeit seines Handelns – doch eher wenig überraschend, dass er nachts auch Frauen vergewaltigt haben soll. Von einem „Doppelleben des Diktators“ zu sprechen, ist also schlichtweg falsch.

Enthüllt wird darüber hinaus nicht wirklich viel. Dass die Garde von Leibwächterinnen Gaddafis allenfalls die Rolle hübscher Statistinnen spielten, ist nicht neu. Einmal allerdings hätte man sich mehr Hintergrund gewünscht: Rados spricht davon, dass auch Geschäftsleute aus dem Ausland Gaddafi Frauen zugeführt haben sollen, weil sie sich davon bessere Chancen auf Handelseinigkeit mit dem Machthaber versprochen hätten. Für welche Unternehmen arbeiteten diese Leute? Auch deutsche Firmen haben mit dem Diktator Geschäfte gemacht. Haben sie sein Spiel mitgespielt? Diese Frage bleibt nicht nur unbeantwortet, sie wird gar nicht gestellt. Stattdessen fährt Rados wieder Taxi.

Konsequenter Weise hätte RTL den Beitrag „Antonia Rados – Aus dem Leben einer RTL-Reporterin“ nennen müssen. Dann wäre der Film wenigstens keine Produktenttäuschung geworden.

„Das Doppelleben des Diktators – Antonia Rados auf den Spuren des Vergewaltigers Muammar al Gaddafi“, Montag, 22.15 Uhr, RTL.