Essen. . Es war ein ebenso seltener wie unterhaltsamer Auftritt: Bei Markus Lanz erzählten vier Mitglieder der Kelly Family am Mittwochabend aus ihrem Vagabundenleben. Der Moderator selbst ist nach einer ZDF-Reportage-Reise dick mit Extremsportler Joey Kelly befreundet.
Hart hat ZDF-Talker Markus Lanz für diesen exklusiven Auftritt gekämpft. Patricia Kelly, Jimmy Kelly, Joey Kelly und Angelo Kelly erzählen aus ihrem Vagabundenleben mit der legendären Musikerfamilie. Ein unerwartete wie unterhaltsame Vorstellung der vier Kellys. Sie plaudern bei Lanz unbeschwert über das lustige und lästige Künstlerleben.
Markus Lanz hat die vier Geschwister wieder vor die Kamera und aus der öffentlichen Versenkung gelockt. Stolz betont der Moderator in seiner Show: „Dafür bin ich bei minus 30 Grad bis zum Südpol gegangen.“ 2010 war er in einer spektakulären Expedition mit Joey Kelly (38) auf den Spuren der Eskimos unterwegs. Dabei haben sich beide mehr als schätzen gelernt. „Ich liebe euren Bruder“, verrät Lanz seinen Lieblingsgästen. „Bist du schwul?“, fragt Patricia Kelly (41) verschmitzt. Lanz kontert: Es sei eine tiefe emotionale Empfindung für einen wunderbaren Menschen. Joey Kelly gibt die Komplimente zurück: „Markus kann gut Klavier spielen, hervorragend fotografieren, er ist topfit und er ist ein sehr loyaler Typ.“
Millionen in Postkisten
Die entstandene Männerfreundschaft bei der eisigen Reise nach Grönland hat die mehr als halbstündige Plauderrunde mit den Kellys möglich gemacht. Anekdoten erzählen sie vom strengen und prägenden Charakter ihres keltischen Vaters Daniel Jerome, der alle Werbeofferten abgelehnt hat mit den Worten: „Wir sind Musiker und verdienen unser Geld auf ehrliche Art.“
Kaum zu glauben, aber wahr: In den damals grauen Postkartons haben die Kellys laut Angelo 1 Millionen D-Mark im Rumpf ihres Hausbootes aufbewahrt. Sie trauten zu Erfolgszeiten keiner Bank. 48 Gold- und Platin-Auszeichnungen bekam das Familien-Ensemble bis 2006. Straßen und Zelte wurden später mit Hallen und Fußballstadien getauscht. In Wien trat die Kelly Family auf dem Höhepunkt ihrer Karriere vor 250.000 Menschen auf.
Die Minibars wurden geräumt
Minibars in den Hotels wurden auf Einweisung von Daddy Dan vor Konzerten leer geräumt und mit Mineralwasserflaschen gefüllt, damit keiner der heranwachsenden Kinder oder ein Roadie auf vom Alkohol gefährdete Wege geriet. „Höchstens eine Cola“, hätten sie mal vorgefunden, berichten die vier erwachsenen Kellys heute. Trotzdem verfiel Jimmy Kelly (40) vor 15 Jahren dem Drogenkonsum. Offen steht er zu seiner damaligen Sucht. Zwischendurch muss er aus dem ZDF-Studio verschwinden für eine Pinkelpause. „Die Kellys haben alle eine schwache Blase“, scherzt Schwester Patricia. Rührend. Ob sie wohl nur die Brüder meinte?
Jimmy, Joey und Angelo sind gemeinsam ein großer Fan von Bruce Springsteen. Auf der Straße hat der einst die Großfamilie beim Musizieren entdeckt, ihnen Unterstützung zugesagt und seine Telefonnummer hinterlassen. Die Kellys ignorierten den Rockstar. Sie trauten sich nicht ihn anzurufen. „Wir kannten ihn nicht, machten unsere eigene Musik und brauchten keine Hilfe“, hatten sie einst gedacht. Erst als der Boss in Dortmund auftauchte, kam wieder die Erinnerung hoch. Die Kellys wollten Springsteen unbedingt live in der Westfalenhalle sehen. Sie spielten an diesem Tag immer noch auf der Straße.
Die Kelly-Großfamilie tingelte durch Europa
Das Springsteen-Management lud die Kellys als VIP-Gäste hinter die Bühne ein. In der Pause gab es eine Privat-Audienz beim Boss. Bon Jovi saß neben Bruce in der Kabine. Die Kellys waren baff. Der Boss habe gefragt: „Warum habt ihr euch nie gemeldet?“ Ihnen ging’s jetzt gut, antworteten die Geschwister. Sie lebten sogar auf einem Hausboot. Joey Kelly: „Danach sprang Springsteen zurück auf die Bühne, hat seine Gitarre geschnappt und gesagt: Der nächste Song ist der Kelly Family gewidmet.“ Es war „Down to the River“. Herzergreifend für die Iren.
Ein Jahr später ist ihnen selbst der Durchbruch gelungen. An neun Abenden hintereinander haben sie die Westfalenhalle gefüllt. Der ruhmreiche Aufstieg in der Popmusik-Szene begann. Der Gipfel war 1994 mit dem Album „Over the Hump“ erreicht. Es ist das mit über 3,5 Millionen verkauften Exemplaren bisher meistverkaufte Album in Deutschland. Kultstars in Europa waren die Kellys anschließend.
In Südamerika und Asien hätten sie noch bekannter und reicher werden können. Doch Vater Kelly, der 2002 im Familienkreis verstarb, verweigerte seine Unterschrift unter die lukrativen Tourneeverträge. Die Großfamilie mit neun musikalischen Geschwistern (von insgesamt zwölf) tingelte weiter durch Europa.
“Gut, dass es vorbei ist“
Und das war gut so. „Kein Mensch kann sich diesen Druck vorstellen, gerade für uns damals so junge Menschen ,“ erzählt Patricia. Das knallharte Musikgeschäft hätten alle Kelly-Singers nur dank der Familienbande überlebt. „Ein Robin Williams allein - das geht doch eigentlich nicht. Wie macht er das?“, fragt sich Joey Kelly. „Gut, dass es vorbei ist“, meint Joey. „Nicht ganz“, erwidert Bruder Jimmy: „Die Musik steckt uns allen im Blut.“ 21 Nachkömmlinge haben die zwölf Kellys mittlerweile in die Welt gesetzt. „Ja, die Musik wird irgendwie weiter vererbt“, sagt Angelo (29), der stolzer Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern ist.
Die vier Geschwister bestreiten inzwischen ihre eigenen musikalischen Wege. Zusammen auftreten wollen sie aber immer wieder noch sporadisch. Ende des Jahres 2011 sei eine Weihnachtstour geplant, gibt Patricia bekannt. Markus Lanz, ein vorzüglicher Pianist, könne sie doch begleiten, schlägt Joey Kelly vor. Der Talkmaster bleibt lieber seiner Branche treu und lädt die Kellys zu einer weiteren Fernsehrunde mit Episoden aus ihrem bewegten Leben ein. Dann am besten mit doppelter Besetzung – acht Kellys sollen im Studio erscheinen. (we)