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Die Eltern des getöteten Mirco aus Grefrath haben für den mutmaßlichen Täter gebetet, haben ihn gesegnet: In ihrem ersten TV-Interview in Reinhold Beckmanns Talk in der ARD zeigten sie am Montag eine nahezu unglaubliche Stärke.
Er versucht es einfühlsam, weiß, welches Leid die Familie Schlitter durchlitten hat. Seit diesem schrecklichen 3. September 2010, als ihr zehnjähriger Sohn Mirco abends nicht nach Hause kam. Sandra und Reinhard Schlitter sitzen im Hamburger Studio, ruhig, fast entspannt, und geben Reinhold Beckmann das erste Interview im deutschen Fernsehen nach diesen 145 Tagen der Ungewissheit, knapp drei Monate nach dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes.
Zu der Leidensgeschichte Mirco gibt es nichts, was noch nicht bekannt war. Unbekannt, unglaublich hingegen scheint die Stärke der Familie, die sie aus ihrer Religion ziehen. Zweifel an ihrem Gott haben sie nie gehabt. Anders als der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider, dessen Tochter im Alter von 25 Jahren an Leukämie starb. „Mein Glaube hat Risse bekommen“, sagt Schneider.
Der Glaube der Schlitters nicht. Im Gegenteil. Wochen vor der Misshandlung und Ermordung ihres Kindes hat Sandra Schlitter eine Stimme gehört, die sie fragte: „Sandra, bist du bereit, mir Mirco zu geben?“ Na klar, Gott, habe sie gedacht, sie sei bereit. In Gottes Hand sei das Kind geborgen.
„Wir haben für ihn gebetet“
Die Verankerung im Glauben der Schlitters scheint außergewöhnlich. Bei Beckmann erklären sie mit einer Selbstverständlichkeit, die fast erschreckt, dass sie für den Täter nicht nur gebetet, sondern ihn auch gesegnet haben. „Wir haben für ihn gebetet“, sagt Sandra Schlitter. „Damit er zu Erkenntnis kommt und seine Tat gesteht und der Soko mitteilt, wo Mirco ist. Im Endeffekt ist dieses Gebet in Erfüllung gegangen: Er hat erzählt, wo Mirco lag. Er hätte auch schweigen können.“
Er bleibe bei all dem Schlimmen, was er getan habe, trotzdem ein Mensch. Natürlich habe der mutmaßliche Täter Olaf H. etwas getan, „das unverzeihlich ist. Er gehört weggesperrt, damit er nicht wieder… Ich merke auch, dass die eigenen Kinder sowie die Kinder aus dem Umfeld und Familien jetzt ein Stück weit wieder eine Sicherheit haben. Sie wissen: Der Mann sitzt ein.“
Normalität im Leben finden, ohne Mirco zu vergessen
Die Schlitters versuchen, Normalität im Leben zu finden, ohne Mirco zu vergessen. „Als wir auf dem Weg in die Sendung in den Flieger gestiegen sind, saß unsere Jüngste im Sitz und sagte: Mama, das wäre Mircos Hit gewesen!“, sagt Sandra Schlitter. Mirco habe das Abenteuer geliebt, er wäre gerne in der Freiheit und habe wirklich vieles ausprobiert: „Wie hoch kann ich klettern? Wo sind meine Grenzen? In solchen Situationen denkt man halt ganz oft daran. Oder wenn man die Trekker auf dem Land sieht, jetzt, wo sie die Felder machen – da kommt es natürlich wieder hoch, dass man merkt: Das war sein Ding, da hat Mirco drin gelebt.“
Beckmann lässt die Eltern reden. Hinterfragt den Glauben eher oberflächlich und kommt, vielleicht populistisch getrieben, auf Kindesmissbrauch im Allgemeinen – von der Kirche bis zum Internet. Mit dem konkreten Fall Mirco hatte das wenig zu tun.