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C-Promis würgen an Krokodil-Penis, und die Zuschauer jubeln. Millionen Menschen wollen sehen, wie sich gescheiterte Fernseh-Sternchen blamieren. Uwe Kammann, Geschäftsführer des Grimme-Instituts, erklärt die Faszination Ekel-TV.

Millionen Menschen haben jeden Abend das Dschungelcamp eingeschaltet. Warum funktioniert das Format so gut?

Uwe Kammann: Schadenfreude war und ist ein Unterhaltungsfaktor erster Güte. Sprich: Es macht vielen Leuten Spaß, sich am Ungemach, Ungeschick und auch am Leiden anderer zu laben. Das ist ein Uralt-Muster, früher oft sogar viel schlimmer ausgeprägt als heute, man denke nur an die römischen Quäl- und Todesspiele. Hier ist das in Tarzan-Gefilde verlegt, was zusätzlichen Reiz und Steigerung des Exotenfaktors bedeutet – sowas zieht fast immer.

Promis essen Kamel-Schwanz, Krokodil-Penis und Fischaugen, tauchen in grünem Schleim – das Programm ist so abartig, dass man zum Teil nicht hinschauen möchte. Was fasziniert die Zuschauer am Ekel-TV?

Kammann: Eben genau der Ekel, den man aus gehöriger Entfernung gut geschützt genießen kann, mit wohliger Projektion auf medial halbwegs vertraute Figuren, tatsächlich aber eben auch auf fremde Opfer. Das ist wie bei der Lust an der Angst bei Krimis – obwohl doch dort der Gegenstand oft mehr als gruselig ist, weil es nicht um die Geisterbahn, sondern um realitätsnahe Abgründe geht.

Alt-Hippie, Ex-Castingband-Sängerin, Ex-Playmate - die Riege der Teilnehmer war nicht unbedingt hochkarätig. Warum will das Publikum unbedingt die C-Promis am Boden sehen?

Kammann: Es muss mit denen vorlieb nehmen, die in den Ring steigen, und das ist eben nicht die A- oder B-Klasse. Aber das kann auch eine Steigerung des Lustgefühls sein: Weil man sich so über Doppel- und Dreifachverlierer erheben kann, die Demütigung also noch krasser ist.

Was denken Sie, warum sich die Teilnehmer das antun? Lockt das Geld oder ist es der Wunsch nach medialer Aufmerksamkeit?

Jay Khan mit landestypischer Leckerei. (c) RTL / Stefan Menne
Jay Khan mit landestypischer Leckerei. (c) RTL / Stefan Menne

Kammann: Beides gehört zur Mischung, aber auch noch viele andere Zutaten: vom Masochismus, ganz klar, bis zum Abenteurertum und der Hoffnung auf Belohnung beim Versuch, den inneren Schweinehund zu überwinden. Das ist wie beim Hütchenspiel. Viele können nicht widerstehen, obwohl sie genau wissen, dass sie garantiert reinfallen. Aber irgendeine innere Stimme sagt: Du bist die Ausnahme, du schaffst es …

Die Moderatoren Dirk Bach und Sonja Zietlow machen sich hemmungslos lustig über die Kandidaten, das Format und sogar ihren Sender. Welche Rolle spielen sie in dem Format?

Kammann: Sie sind die Ulknudeln, die scheinbar Unvereinbares voller Lust und List ausleben dürfen: Medienkritik und allergrößte Medienmacht durch hemmungsloses Mitmachen. Sie sind die schrillen Stellvertreter vieler Zuschauer. Ganz nach dem Motto: Ja, genau, gebt’s den Deppen ordentlich.

Das Publikum scheint sich in jeder Staffel ein Opfer auszusuchen, das mit Vorliebe in die gemeinen Prüfungen geschickt wird. In diesem Jahr war es Model Sarah. Warum gerade sie?

Kammann: Solche Rollenmuster wie die der Jammer-Zicke sind redaktionell vorgeprägt. Da lässt sich immer was einfädeln, um Antipathien zu säen und zu ernten.

Wie wird es mit dem Dschungelcamp weitergehen? Muss der Ekelfaktor noch gesteigert werden?

Kammann: Geht das überhaupt noch? Das Ganze funktioniert, bis es total langweilig wird. Das kann dauern. Einmal, weil der Grundfaktor solcher Unterhaltung sich kaum ändert. Dann, weil die Medienbegleitung im umgekehrten Verhältnis zu Bedeutung der Reihe steht. Schließlich, siehe oben, weil viele Menschen sich wieder und wieder genüsslich ekeln wollen, solange sie gemütlich auf dem Sofa sitzen. Sprich: Abermillionen haben den Dschungel im Bauch.

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