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Wer bei „Glee“ nicht mitsingen will, hat wohl keinen Musikknochen im Leib: Die TV-Serie, ein Riesenhit in den USA, läuft ab Sonntag auch im deutschen Fernsehen - mit Schülern, die in der Highschool-Hölle nach Anerkennung suchen.

Foto: RTL
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Den eingebauten Coolness-Faktor haben an amerikanischen Schulen nur die Sportler, das lernen wir in Filmen und Fernsehserien immer wieder. Alle anderen müssen Demütigung und Folter in der Highschool-Hölle fürchten. Vielleicht ist das der Grund, warum die Uncoolsten von allen „Glee“ suchen, Fröhlichkeit, und in der gleichnamigen amerikanischen Hit-Serie in den „Glee Club“ ihrer Schule eintreten. Da wollen sie sich die Seele aus dem Leib singen und so Ruhm und Anerkennung finden – ab Sonntag auch im deutschen Fernsehen.

Will Schuesters Enthusiasmus kennt keine Grenzen. Teenies wollen gesehen werden, meint der Spanisch-Lehrer, sonst hätte ja nicht jeder eine MySpace-Seite – und deshalb darf die Highschool in im Städtchen Lima in Ohio ihren „Glee Club“ auf keinen Fall aufgeben. Es gibt einen Aufruf zum Vorsingen – und die Parade der Außenseiter kann beginnen.

Das dicke schwarze Mädchen fordert gleich mal mit Aretha Franklin „R-E-S-P-E-C-T“, die stille Asiatin schmettert Katy Perrys „I Kissed A Girl“, der tuckige schwule Junge fühlt sich wie „Mr. Cellophane“ aus dem Musical „Chicago“, und die Stimme der Streberin Rachel ist groß wie ihr Ego – wenn sie nicht gerade mal wieder von den den fiesen Cheerleadern gemobbt wird. Der arme nerdige Junge im Rollstuhl muss leider zur schlimmen, schlimmen Frisur eine ebenso schlimme Brille tragen.

Ryan Murphy bedient Klischees schamlos, um dann geschickt mit ihnen zu spielen

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Man kann sie die Archetypen der Highschool-Geschichten nennen – oder Klischees: Die bedient „Glee-Macher“ Ryan Murphy schamlos, um dann geschickt mit ihnen zu spielen. Die Streberin (Lea Michele) hat zwei Väter, der schwule Junge (charismatisch: Chris Colfer) rettet das Football-Team vor großer Schmach und der Star der Football-Mannschaft kann am besten Disco singen. Großartig unmöglich spielt Jane Lynch die Sportlehrerin Sue Sylvester, die sich ihre menschenverachtenden Kommentare gegenüber ihren Schützlingen genüsslich auf der Zunge zergehen lässt und sich in ihrer politischen Unkorrektheit so wohlfühlt wie im offenbar angewachsenen Trainingsanzug. Viel glattgebügelter ist Matthew Morrison als idealistischer Will Schuester, der die versteckten Talente der Teenies fördern will und ob seines ganzen Engagements nicht merkt, wie hintertrieben seine angetraute Highschool-Liebe wirklich ist.

Postmodernes Musical mit schwangeren Teenies im Zölibat-Club

Football-Star Finn (Cory Monteith) hat  Spaß am Chor. Was seine Mannschaftskameraden davon halten, zeigen sie ihm deutlich. Foto: RTL
Football-Star Finn (Cory Monteith) hat Spaß am Chor. Was seine Mannschaftskameraden davon halten, zeigen sie ihm deutlich. Foto: RTL

Bevor Autor, Produzent und Regisseur Ryan Murphy sich „Glee“ widmete, hat der ehemalige Journalist die Schönheitschirurgie-Satire „Nip/Tuck – Schönheit hat ihren Preis“ gemacht; dass da selbst eine als „postmodernes Musical“ konzipierte und für die ganze Familie gedachte Unterhaltungsserie nicht seitenhiebfrei bleibt, ist keine Überraschung. Und so gibt es in „Glee“ zwischen betonierten Föhnfrisuren und faltenfreien Rüschenblusen in Bonbon-Farben Lehrer, die mit dem vom Arzt verordneten Marihuana dealen, Zölibat-Clubs für Teenies mit schwangeren Präsidentinnen, zwangsneurotische Lehrerinnen, annähernd debile Football-Trainer und einen harten Wettkampf unter Show-Chören, in denen nette Mädchen mit Amy Winehouse fröhlich von Entzugskliniken singen. „Glee“ ist oft sehr plakativ, manchmal aber auch ganz subtil, und wirklich stark sind die vielen Musik-Nummern – wer da nicht mitwippt oder –singt, hat vermutlich keinen Musikknochen im Leib.

Dass die Sängerinnen und Sänger des „Glee Clubs“ an der Highschool so verschrien sind, ist nicht ganz leicht nachzuvollziehen – wo doch gefühlt jeder zweite als Star entdeckt werden möchte. Folgerichtig hat der US-Sender Fox die Pilotfolge der Serie im Mai 2010 nach dem Finale von „American Idol“ ausgestrahlt, der amerikanischen Variante von „Deutschland sucht den Superstar“ - die Serie startete dann erst im September. Im deutschen Fernsehen gibt die große Schwester der kleinen Starthilfe: Die Pilotfolge läuft am Sonntagnachmittag auf RTL, die Serie startet nochmal am Montag auf dem vorgesehenen Sendeplatz auf SuperRTL.