Essen. Kommissarin Irene Huss ermittelt ab Sonntag, fünf Folgen lang im Ersten. Die von Angela Kovacs gespielte Ermittlerin hebt sich dabei wohltuend von den in der Regel depressiven und beziehungsgestörten Kollegen des Genres ab.

Göteborg ist, aller nordischen Breitengrade zum Trotz, ein heißes Pflaster. Die zweitgrößte Stadt Schwedens steckt seit Jahrzehnten im Umbruch. Werften und Stahlfabriken, die einstigen Grundpfeiler der Wirtschaft, sind in der Dauerkrise, und über der Stadt mit dem eisfreien Hafen liegt eine fiebrige Dauer-Spannung. Kaum sonstwo in Schweden trinken sich Jugendliche und Studenten derart schnell an den Rand der Besinnung, und in der aufgeheizten Atmosphäre der Abende reicht ein kleiner Rempler, um eine blutig-brutale Prügelei auszulösen.

Was Wunder, dass hier auch die besten Krimischreiber Schwedens leben – Ake Edwardson zum Beispiel, der stolz darauf ist, dass ihm Eva Bergmann, die Frau von Henning Mankell, gestand, dass sie seine Krimis lieber liest als Wallander-Geschichten.

Edwardsons schärfste Konkurrentin aber ist Helene Tursten. Ihre Heldin Irene Huss ist das radikale Gegenbild zu all den Kommissaren, die außer der Lösung von Kriminalfällen so gut wie nichts hinbekommen in ihrem Leben: Da gibt es ein Familienleben. Irenes Ehe mit Krister, einem Sterne-Koch, ist glücklich statt verkracht, sie bemuttert ihre Zwillinge Jenny und Katharina, was nicht ohne Komik abgeht, weil Teenager das nun wirklich nicht so gerne haben.

Drastische Fälle

Vor so viel Harmonie und Harmlosigkeit wirken die Fälle der Kommissarin Huss umso drastischer, ganz gleich, ob es um tödlich vom Balkon gestürzte Makler, mysteriöse Serien-Mordbrenner oder erschlagene Krankenschwestern geht. Das Verbrechen macht nicht einmal vor Kristers Restaurant halt, hier feierte einst ein IT-Millionär mit seinen pistolenfuchtelnden Freunden, bevor er im Kofferraum eines geparkten Wagens aufgefunden wird – tot.

Dichten Atmosphäre Göteborgs

Irene Huss ist eine kluge, unkomplizierte, besonnene Kommissarin. Das hält sie nicht davon ab, Fehler zu machen. Aus mancher Klemme aber kommt sie kampfsportlich heraus, als ehemalige Europameisterin im Jiu-Jitsu fallen ihr Befreiungsschläge nicht allzuschwer. Mit Angela Kovacs, Tochter einer Schwedin und eines Ungarn, hat Irene Huss für die Verfilmung eine perfekte Verkörperung gefunden, die noch ein wenig mehr Tiefe in diese Kommissarin hineinspielt, als sie in den Romanen zu haben scheint. Manchem wird sie aus den Wallander-Verfilmungen bekannt sein, in denen sie die Ann-Brit Höglund spielte.

Die fünf Folgen, die Sonntag im Ersten (21.45 Uhr) starten, wurden für eine ARD-Sommerserie eingekauft und profitieren von der dichten Atmosphäre Göteborgs und einer ungewöhnlich authentischen Kommissarin. Die schwedische Machart hat aber auch dieser Mini-Serie ihren Stempel aufgeprägt, die Verwandtschaft zu den Mankell-Verfilmungen ist nicht zu übersehen. Immerhin aber handelt es sich bei Irene Huss nur um eine entfernte Verwandte von Wallander.