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FDP-Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle blieb trotz knackiger Bräune beim ARD-Sommerinterview blass. Neues vermochten die ARD-Hauptstadtjournalisten aber auch nicht aus ihm herauszukitzeln.
Braungebrannt, mit schwarzem Anzug und blauer Krawatte sitzt FDP-Parteichef Guido Westerwelle am frühen Sonntagabend auf der Terrasse des Berliner Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Die tiefer gehende Sonne strahlt die linke Gesichtshälfte des Außenministers an und erinnert daran, warum Westerwelle eigentlich dort ist: Er ist mit Ulrich Deppendorf, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, und Rainald Becker, seinem Stellvertreter, verabredet. Zum Sommerinterview der ARD.
Nun, wer in den knapp zwanzig Minuten wirklich Neues von Westerwelle erwartet hat, ist selbst Schuld. Was aber auch an den überraschend unkritischen Fragen der beiden Hauptstadtjournalisten lag. Zwar hakten Deppendorf und Becker immer wieder nach, wenn der Außenminister zu sehr von der Frage abwich. Neues erfuhren sie jedoch nicht.
Atomausstieg? Abgelehnt.
Außenminister und Parteichef Westerwelle blieb seinen Standpunkten und denen der Partei treu. Einen Atomausstieg lehnen er und die FDP weiter ab. Einer Laufzeitverlängerung von 10 bis 15 Jahren stimmte Westerwelle indirekt zu. „Darauf läuft es wohl hinaus, auch wenn ich keine Zahlen nennen möchte.“ Die Atomkampagne von 40 Vorstandsvorsitzenden und Personen des öffentlichen Lebens für eine Verlängerung der Laufzeit hält Westerwelle zumindest für nachvollziehbar: „Ich habe Verständnis für die Diskussionsbeiträge.“ Gemeint sind Beiträge, die die Atompolitik der Kanzlerin in Frage stellen.
Nach dem sehr drögen koalitionspolitischen Einstieg, spitzte sich das Gespräch schnell auf den Partiepolitiker Westerwelle zu: Ob er denn Angst vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg habe? Natürlich war Westerwelle auf diese Frage vorbereitet und hatte sich eine passende Antwort bereit gelegt. Diese bewegte sich in etwa zwischen „Wir befinden uns in einer schwierigen Phase, aber wir haben viel geleistet“ und „Eine Wahl ist immer eine Herausforderung“. Ach ja, und selbstverständlich: „Was hat der Bürger schon für eine Alternative?“ Rot-Rot-Grün. Gähn! Nächstes Thema, bitte.
„Die Haushaltskonsolidierung hat Priorität.“
Die von der FDP vor der Bundestagswahl versprochene Steuererhöhung war nun an der Reihe. „Die Haushaltskonsolidierung hat Priorität“, sagte Westerwelle, „Sie ist auch dringend nötig nach der Euro-Krise.“ Und dennoch: „Wir werden eine Steuervereinfachung nicht aus den Augen verlieren.“ Hier hätten Deppendorf und Becker tiefer nachbohren müssen. Interessant wäre zu erfahren, welches Konzept sich der FDP-Parteichef für Steuervereinfachungen – er mied bewusst das Wort „Senkungen“ – vorlegen will.
Nicht gelungen war auch die Auswahl der ersten beiden Zuschauerfragen, die am Sonntag aus München kamen. Wann Westerwelle denn in seinem Amt als Außenminister wachse? So wie Joschka Fischer gewachsen sei. So dürftig die Frage, so dürftig auch die Antwort: „Fischer war sieben Jahre im Amt. Da konnte er mehr zeigen, als ich in wenigen Monaten.“ Zweifelhaft auch die Frage einer Frau, die Westerwelle ein einwöchiges Dasein als Hartz-IV-Empfänger ans Herz legte. „Ich sehe den Hartz-IV-Empfänger nicht kritisch. Was ich kritisiere, ist die mangelnde Treffsicherheit der Sozialstaatsbürokratie.“ Da wäre von Seiten der ARD mehr Fingerspitzengefühl im Auswählen der Fragen wünschenswert gewesen.
Trotz Bräune blass
Als eine junge Münchnerin jedoch nach der Zukunft Afghanistans fragte, lächelte der Außenminister breit. Die Frage gefiel ihm, weil die Antwort leicht ist und eindeutig: „Wir werden nicht kopflos abziehen, sondern dafür sorgen, dass die afghanische Regierung selbst für die Sicherheit im Land garantieren kann.“ Spätestens 2014 solle es soweit sein.
Trotz seiner sommerlichen Bräune blieb der Parteichef und Außenminister blass. Seine Antworten wirkten steif und auswendig gelernt. So leistete er sich zwar keine Patzer, verspielte aber auch die Gelegenheit, zur besten Sendezeit Werbung für sich und seine Partei zu machen.