Berlin. .

In der FDP und der Union werden wegen des überraschend starken Aufschwungs erneut Rufe nach Steuersenkungen laut. Der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU will das Steuersystem vereinfachen.

Bis Ende September sollen 130 Maßnahmen zusammengestellt werden. Unter dem Strich würde dies Bund, Länder und Kommunen rund 500 Millionen Euro kosten. „Diese Höhe ist vertretbar“, sagte der Wirtschaftsexperte Christian von Stetten (CDU) dieser Zeitung.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder ist nach einem Medienbericht offen für den Plan des Wirtschaftsflügels. Auf Nachfrage dieser Zeitung wollte er sich dazu aber nicht äußern. Bereits im Mai hatten die Bundesländer 13 Punkte vorgeschlagen, um das Steuersystem zu entwirren. Etwa bei der Entfernungspauschale. So sollen die Bürger selbst entscheiden, ob sie die Entfernungspauschale von 30 Cent je Kilometer bei einer Obergrenze von 4500 Euro geltend machen – oder Ausgaben für öffentliche Verkehrsmittel ohne Obergrenze einzeln ab­rechnen.

Beim Kindergeld soll nicht mehr geprüft werden, ob Volljährige einen Zuverdienst haben. Die Kinderbetreuungskosten sollen Eltern künftig absetzen können, ohne lange aufdröseln zu müssen, ob die Kinder wegen Krankheit, Ar­beit der Erwachsenen oder Behinderung betreut werden müssen.

Einen genauen Zeitpunkt nannte Westerwelle nicht

„Es gibt keinen Grund, das jetzt auf die lange Bank zu schieben“, sagte von Stetten, der die Steuererleichterungen binnen weniger Monate für umsetzbar hält. Weitere Maßnahmen wollte er noch nicht nennen. „Das hat nichts mit Steuersenkung zu tun, es ist eine bloße Vereinfachung.“ Die Menschen hätten verstanden, dass es große Steuersenkungen nicht geben könne.

Die FDP sieht das anders. Außenminister Guido Westerwelle hatte am Wochenende gefordert, die Bürger am un­verhofften Wirtschaftsaufschwung mit einer Art „Dividende“ teilhaben zu lassen. Einen genauen Zeitpunkt nannte der FDP-Chef nicht. Nur so viel: Wo sich Spielräume ergäben, müssten sie konsequent genutzt werden. Kanzlerin Merkel ließ gestern in gewisser Weise die Luft aus dem Ballon. In einem Telefonat mit dem auf Mallorca weilenden Westerwelle, berichtete Regierungssprecher Seibert, sei man sich einig gewesen, dass der eingeschlagene Sparkurs und der Abbau der Verschuldung Vorrang hätten. Seibert wörtlich: „Wir haben sozusagen jetzt nicht mehr Geld. Wir haben höchstens ein bisschen weniger Schulden.“

Linken-Chefin Gesine Lötzsch bezeichnete die Pläne der Union als unsinniges „Trostpflaster“ für einen ge­kränkten Koalitionspartner. Auch die Grünen halten von den neuen Steuersenkungsideen nichts. „Was die Repu­blik sicher nicht braucht, ist eine neue Steuersenkungsdebatte“, sagte Parteichef Cem Özdemir. Auch Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) lehnte eine neue De­batte um Steuergeschenke ab: „Die Steuermehreinnahmen müssen der Konsolidierung die­nen. Ende.“