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Der Verfassungsschutz warnt, der Pressesprecher leugnet und Günther Beckstein stellt Vergleiche mit der NPD an. Bei „Hart aber fair“ diskutierte eine diffuse Runde über Scientology. Erst ein Journalist, der undercover recherchiert hatte, sorgte für bemerkenswerte Einblicke.

„Sekten, Gurus und Gehirnwäsche – wie gefährlich sind moderne Seelenfänger?“, fragte Moderator Frank Plasberg am Mittwochabend bei „Hart aber fair“. Die Frage blieb zunächst unbeantwortet. Stattdessen stritt die Runde, ob ein Lehrgang der Sekte 15 000 Euro oder doch 30 000 Euro kostet und ob jemals ein Gericht Scientology als Religionsgemeinschaft anerkannt habe.

„Es läuft eine Verunglimpfungskampagne gegen uns“, beklagt Jürg Stettler bereits zu Beginn der Sendung. Der Pressesprecher von Scientology Deutschland macht schnell deutlich, wie seine Strategie für den Abend aussehen würde: leugnen, verharmlosen und ablenken. „Wir bieten Lebenshilfe an“, erklärt Stettler. „Es geht in unseren Seminaren darum, mit anderen Leuten zu kommunizieren und mehr Kontrolle im Leben zu haben.“

„Für Kirchensteuer bekommen Sie gar nichts“

Sabine Riede hat da andere Erfahrungen gemacht. Die Expertin der Sekten-Info NRW hat beruflich oft mit Aussteigern zu tun. Sie sagt: „Leute verschulden sich und werden abhängig gemacht.“ Statt Menschen zu helfen, gehe es nur darum, den Geldbeutel der Scientologen zu füllen. „Seminare kosten zwischen 20 000 und 30 000 Euro. Ich habe sogar eine Frau kennen gelernt, die 500 000 Euro an die Sekte gezahlt hat.“

Jürg Stettler ergreift das Wort und baut auf seine dreigliedrige Strategie. Er leugnet, den Scientologen würde es nur ums Geld gehen. Dann wird verharmlost, so teuer seien die Seminare gar nicht. Gute Schüler könnten schon mit 15 000 Euro hinkommen. Und drittens wird abgelenkt. „Für die Kirchensteuer bekommen sie gar nichts, bei uns zahlen sie für eine Leistung“, so Stettler. Das Geld werde auch lediglich für die Organisation eingesetzt, „für Gebäude und Unterhalt.“

„Verfassungsfeindliche Ziele“

Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein lässt sich nicht überzeugen. Er hält Scientology für ein „totalitäres System“. „Sie haben verfassungsfeindliche Ziele wie die NPD oder Linksextremisten“, sagt der CSU-Politiker. Er verweist auf einen Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes von 2009. Darin heißt es, die Programmatik und Aktivität von Scientology „sind nicht mit den freiheitlich-demokratischen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland vereinbar“.

Scientologe Jürg Stettler verfällt daraufhin in sein altes Verfahrensmuster, spricht von Verunglimpfungen und weist stattdessen daraufhin, dass Scientology in über 50 deutschen Gerichtsurteilen als Religionsgemeinschaft anerkannt wurde. Die Redaktion von „Hart aber fair“ kommt nach ihren Recherchen zu einem anderen Ergebnis.

Fliege versteht die Hysterie nicht

TV-Moderator und Pfarrer Jürgen Fliege sucht währenddessen nach den Gründen für das Interesse der Menschen an Sekten. „Wir leben in einer kapitalistischen Welt, in der der Erfolgsdruck riesig ist. Das ist der Sumpf, auf dem Scientology gedeihen kann“, so Fliege. Er verstehe aber die Hysterie um die Sekte nicht, es gehe schließlich nur um 5000 – 6000 Menschen.

Wie gefährlich also ist Scientology? Nach der diffusen und ergebnislosen Diskussion der ersten 45 Minuten kommt der Stern-Journalist Fredy Gareis ins Studio. Er recherchierte undercover bei der Sekte in Berlin. Seine heimlichen Videoaufzeichnungen zeigen, wie psychologische Tests bei Scientology ablaufen und wie große, ritualisierte Feste gefeiert werden. Gareis wird von Sektenmitgliedern im Laufe der Zeit immer mehr unter Druck gesetzt, er soll für Scientology arbeiten. 52,5 Stunden in der Woche. Als Lohn winken gerade einmal 70 Euro. „Es wird unglaublicher Druck ausgeübt. Ich wurde ständig angerufen und mir wurde der Kugelschreiben zum Unterschreiben permanent in die Hand gedrückt“, berichtet Gareis.

Stettler streitet ab, spricht von einer Kampagne gegen Scientology und versucht ein letztes Mal abzulenken. Er schlägt vor, „alle Interessierten sollten sich selbst ein Bild machen und Scientology besuchen“.