Köln. .

Als der praktizierende Scientologe Tom Cruise im November 2007 aus den Händen von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher einen „Bambi“ für Courage überreicht bekam, da war für Carl Bergengruen der Knoten geplatzt. Der Fernsehspielchef des Südwestrundfunks sah nun die Zeit für dringend gekommen, endlich mit seinem Lieblingsprojekt zu beginnen – einen Fernsehfilm zu realisieren, in dem erstmals mit fiktionalen Mitteln von den Praktiken der Scientology-Sekte erzählt werden soll. Das Ergebnis findet sich nun am 31. März zur besten Sendezeit im ARD-Programm.

„Bis nichts mehr bleibt“ schildert das Schicksal eines verheirateten Scientology-Aussteigers (Felix Klare), der seine neu gewonnene Freiheit allerdings teuer bezahlen muss. Die inzwischen geradezu fanatisierte Ehefrau (Silke Bodenbender) sagt sich von ihm los, das Sorgerecht für seine Tochter wird ihm von einem Hamburger Familiengericht verwehrt.

Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein („Der Mann im Strom“) nimmt diesen Prozess als Ausgangspunkt, um auf das verhängnisvolle Drama von Gine und Frank Reiners zurückzublicken. Es ist ein tückischer Strudel, von dem die beiden da erfasst werden. Den ersten Kontakt mit den Scientologen hat der unfertige Architekt und Hausmann Frank, der sich nach den ersten Auditions im eisigen Zentrum der Sekte plötzlich wie befreit fühlt. Dass Scientology eine strenge Hierarchie darstellt, deren Erklimmen mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden ist, erfährt der neue Fisch im obskuren Glaubensnetz erst später – und schreckt davor zurück.

Ein berührendes Stück über die totale Manipulation von Menschen

Ehefrau Gine, in der Beziehung ohnehin nicht recht glücklich, steigt da sehr viel entschiedener ein. In knapp 18 Monaten hat sie ihre gesamte sechsstellige Mitgift als Reederstochter bereits der Sekte überschrieben. Sie möchte zu einem „Titan“ aufsteigen, in der Nomenklatur der Scientologen so etwas wie ein von allem negativen Ballast gereinigter Übermensch.

Der Film des gebürtigen Esseners Niki Stein fußt auf dem tatsächlichen Fall eines Aussteigers, sperrt sich aber gegen jeden Versuch, ihn als Dokumentarspiel zu verorten.

Entstanden ist ein berührendes Stück über die totale Manipulation von Menschen, die ihrem bisherigen Lebensumfeld danach wie Fremde gegenüberstehen. Die Handlung reicht dabei bis nach Kopenhagen, wo eine Art Umerziehungslager für Abweichler existiert und wo die gefürchtete „Sea-Org“-Truppe der Psycho-Sekte ausgebildet wird.

Dreharbeiten streng abgeschirmt

Die Darstellerliste ist prominent: Robert Atzorn und Sabine Postel spielen Gines Reeder-Eltern, Suzanne von Borsody die engagierte Anwältin von Frank, Nina Kunzendorf einen „Ethik-Offizier“ der Scientologen, Kai Wiesinger den Rechtsbeistand der Sekte. Für Carl Bergengruen sind all diese Zusagen auch ein Statement der Schauspieler, die dadurch sicherlich mehr Courage bewiesen hätten, als Tom Cruise bei seiner Stauffenberg-Rolle in „Operation Walküre“.

Wohlweislich mit nervösen Reaktionen der Scientologen rechnend, fanden die Dreharbeiten streng abgeschirmt statt. Weil der Titel des Films bereits in einer Presseverlautbarung des Senders genannt worden war, wählte man für die Produktionszeit einen Fantasienamen: „Der Tote vom Sund“. Die üblichen DVDs an die Fernsehkritiker wurden nicht verschickt, dafür fanden deutschlandweit mehrere Vorführungen mit namentlichen Voranmeldungen statt. Reaktionen gab es trotzdem: Bergengruen spricht von beinahe täglichen Anrufen im Sender, in denen immer wieder Informationen erbeten wurden. Eine Gefahr für den Ausstrahlungstermin sieht der Fernsehspielchef jetzt nicht mehr: „Die Genauigkeit und Präzision beim Dreh war enorm.“

Der Film ist am Mittwoch nächster Woche der Auftakt zu einem langen Scientology-Abend. Frank Plasberg behandelt das Thema anschließend in „Hart aber fair“, ein Dokumentarfilm („Die Seelenfänger“) im SWR-Fernsehen um 23 Uhr wird es abrunden. Schon am Montag soll der als Vorbild für Frank Reiners dienende Ex-Scientologe bei „Beckmann“ auftreten.

  • Mittwoch, 31. März, 20.15 Uhr, ARD
  • Im Anschluss an den Film geht es in der Frank Plasbergs Talkshow „Hart aber fair“ (ARD, 31. März, 21. 45 Uhr) um das Thema „Sekten, Gurus und Gehirnwäsche - Wie gefährlich sind moderne Seelenfänger“. Eine Besprechung der Sendung lesen Sie ab Donnerstagmorgen auf DerWesten