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Die Nachrichten erschütterten die Republik: 2005 stirbt Jessica (7) in Hamburg; 2006 wird Kevin (2) tot im Kühlschrank seines Stiefvaters entdeckt; 2007 verhungert Lea-Sophie (5) in Schwerin – drei schreckliche Schicksale von Kindern, die stellvertretend stehen für die unermesslichen Leiden kleiner Wesen, die von ihren Eltern vernachlässigt, von Nachbarn unbemerkt, von Jugendämtern unerkannt dahin vegetieren. Diesen vergessenen Kindern widmet sich der Kölner Tatort „Kaltes Herz“ (So., ARD, 20.15 Uhr).

Zur Primetime bringt die ARD eine grausame Facette sozialer Realität in die Wohnzimmer. Das ist nicht nur mutig. Dank einer hervorragenden Besetzung, eines soliden und sensiblen Drehbuchs sowie beeindruckender schauspielerischer Leistungen werden Klischees vermieden.

In der 45. Auflage des Kölner Tatorts werden Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) in das soziale Getto am Stadtrand gerufen. In der Wohnung der blutjungen Stefanie Karstmann (Miriam Horwitz) finden sie den toten Sozialarbeiter Marco Steinbrück. Ausgerechnet an dem Abend, als er der überforderten Mutter – hervorragend: Horwitz – ihre vierjährige Tochter Clara entziehen will, wird der Mann erstochen, und das Kind verschwindet.

Armseliges Leben in schäbiger Schrebergartenlaube

Erste Recherchen rücken den Vater des Kindes ins Visier der Kommissare. Er hatte die Clara schon einmal entführt, fristet ein armseliges Leben in einer abgefuckten schäbigen Schrebergartenlaube. Doch Michael Donker (Christian Blümel) hat ein Alibi. Im Jugendamt erfahren Ballauf und Schenk von Amtsleiter Bernd Kampnagel (Falk Rockstroh) und seinem Stellvertreter Matthias Hellwig (Charly Hübner), dass die Familie nicht unbekannt war. Und sie werden aufgeklärt: über Budgetkürzungen und Personalmangel, den realen Wahnsinn, der nachhaltige Arbeit verhindert.

Worüber zunächst nicht gesprochen wird: über korrupte Beamte, über illegale Geschäfte mit Pflegegeldern, über amouröse Verstrickungen mit Klienten. Das mag ein wenig viel anmuten für 90 Minuten Film. Ist es zuweilen auch. Zumal die Drehbuchautoren Ralf Leuther und Peter Dommaschk auch noch die Episode der ungewollt schwangeren Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) in die Handlung eingebaut haben. Dennoch verlieren sie sich nicht im Dschungel ihrer Handlungsstränge und sie treffen den Plot, über den Behrendt sagt: „Welche Zukunft hat ein Kind, dessen Eltern schon ihr eigenes Leben nicht im Griff haben? Unser Tatort zeigt Menschen, die selbst nie genug Liebe und Aufmerksamkeit erfahren haben, das kann auch das Jugendamt nicht richten.“ „Kaltes Herz“ legt den Finger in die Wunde.