Köln.
Jahrelang war Sabine Heinrich für die meisten Menschen nur eine Stimme. Über 1000 Sendungen hat sie bei 1Live moderiert. Jetzt hat die Stimme ein Gesicht bekommen. Denn „Frau Heinrich” macht jetzt Fernsehen. Und Fernsehen ist anders. Erst recht, wenn es um die Grand Prix-Vorentscheidung geht. Oder die Echo-Verleihung.
Sie hat sich nicht beworben, sagt sie. Man hat sie gefragt. Ob sie nicht Lust hätte, zusammen mit Matthias Opdenhövel „Unser Star für Oslo” zu moderieren, die Suche nach dem deutschen Teilnehmer für den Eurovision Song Contest. „Überrascht” ist sie damals, sagt aber zu, weil man „so ein Angebot nicht ablehnen kann”. Dann geht sie raus und trinkt sich auf den Schrecken in der nächsten Kneipe erst mal ein Schnäpschen. Wie man das so macht, wenn man aus dem Ruhrgebiet kommt. In diesem Fall aus Kamen, Ortsteil Heeren.
Da ist sie aufgewachsen, zur Schule gegangen und später auch zur Zeitung. Irgendwann landet sie beim Radio. Wer sie kennt, wundert sich kaum. Weil Sabine nicht auf den Mund gefallen ist. Große Klappe, viel dahinter. Deshalb kommt sie 2001 zu 1Live. Schnell wird die damals 24-Jährige zu einer der bekanntesten Moderatorinnen des Senders. Auch Stefan Raab hört offenbar ihre Sendung, wenn er zur Arbeit fährt. „Die nehmen wir”, stimmt er jedenfalls zu, als die ARD Sabine als Partnerin des ProSieben-Mannes Opdenhövel vorschlägt.
Und es wird noch besser. Die erste Oslo-Show ist noch nicht gelaufen, da wird ihr die Rolle der Gastgeberin bei der „Echo“-Verleihung angeboten. Wieder zögert sie nicht: „Das ist, als ob Jogi Löw bei einem jungen Bundesligaspieler anruft und sagt, ich nehme dich mit nach Südafrika.” Und das ohne ein Testspiel.
Raus aus der Anonymität des Radio-Studios
Allerdings muss sie schon für die Oslo-Show raus aus der Anonymität des Radio-Studios. „Ich bin in einen ganz neuen Raum gekommen”, sagt Sabine. 1000 Zuschauer sitzen nun vor ihr und Millionen vor den Bildschirmen. Das ändert alles. Konnte sie früher in alten Turnschuhen, abgewetzter Jeans und Schlabber-Pulli moderieren, steht sie nun unter verschärfter Beobachtung. Und nach der ersten Sendung wird gemeckert und gelästert. Über ihre Kleidung, ihre Zahnlücke, vor allem aber über ihre Art zu moderieren. „Auswechseln”, fordern viele.
„Das ist nicht an mir abgeprallt”, sagt Sabine. Doch sie denkt nicht daran, die Segel zu streichen. Sie beißt sich durch, auch wenn es weh tut. Und sie wird besser. Von Sendung zu Sendung. Das hat sie beim Marathon gelernt, den sie gerne läuft. „Ich gebe nie auf.” Und sie klagt auch nicht. Nicht über Stress, nicht über zu viel Arbeit. Schon weil sie aus einer Familie kommt, in der immer hart gearbeitet wurde. „Da hätte keiner Verständnis für Jammerei.”
Mittlerweile sind die Kritiker leiser geworden. Manche nennen Sabine bereits „die süßeste Zahnlücke des deutschen Fernsehens”, loben auf einmal ihre Natürlichkeit und Frische. Doch auch jetzt bleibt Frau Heinrich gelassen und mit beiden Beinen auf dem Boden. „Es ist ja auch nicht so, dass mich jeder kennt.” Jedenfalls nicht namentlich, wie sich erst neulich beim Karneval gezeigt hat, als sie – verkleidet als als dicke Biene – angesprochen wird. „Äh, Du bist doch die vom Opdenhövel.”
Oslo, Echo, Oslo
Möglich, dass sich das diese Woche ändert. Denn da steht Sabine so viel vor der Kamera , wie noch nie. In Köln, in Berlin, dann wieder in Köln – Oslo, Echo, Oslo. Der wichtigste Termin aber ist am Samstag. Und in Kamen. Da hat der Papa Gebursttag. Und will feiern.
Ist der Star für Oslo gefunden, geht es zurück zu 1Live. „Ich weiß, wo meine Heimat ist”, sagt Sabine, und dass sie sich noch lange nicht zu alt fühlt für die junge Welle des WDR. So wird es wohl noch einmal 1000 Sendungen mit „Frau Heinrich” geben. Es sei denn, es kommt wieder ein Angebot. Eines von der Sorte, die man nicht ablehnen kann.