Köln. Von Skandal keine Spur. Diesmal war die Vergabe des Deutschen Fernsehpreises eine Mordsgaudi - Bastian Pastewka und Anke Engelke als Volksmusik-Duo Wolfgang & Anneliese sei Dank. Fernsehpreise gingen unter anderem an Thomas Gottschalk, Senta Berger und das ARD-Drama "Mogadischu".
Die grandiose Moderation der beiden Comedians Anke Engelke und Bastian Pastewka als Volksmusik-Duo Wolfgang & Anneliese verdeckte nur mühsam, dass die Jury vielfach aus purer Not heraus Mittelmaß als Spitzenklasse verkaufte.
Pastewka und Engelke knüpften da an, wo Hape Kerkeling mit seinem Kinofilm aufgehörte: Die beiden schlämmerisierten die Fernsehgala mit zwei Kunstfiguren, die bisher aus nur aus einer Sat.1-Weihnachtsshow bekannt worden - spontan, frech, witzig. Pastewka markierte den tüdeligen Gaudi-Bursch, Engelke seine bauernschlaue Partnerin. Sie: “Hoast den Hugo-Egon Balder g’sehn?” Er: “Woas, lebt der noch?” Der Saal brüllte - nur der Sat.1-Entertainer hielt den Gag für genial daneben. Den Applaus konterte das vorgebliche Volksmusik-Duo mit gespielter Bescheidenheit: “Da musst gar nix für können - das hat sogar schon der Schreyl moderiert.” Pastewka und Engelke setzten sogar noch einen drauf: “Der Fernsehpreis hat ein großes Herz - es sind sogar einige Filme nominiert, die sind nicht so gut.”
Fernsehen muss mutiger werden
Die Preisträger 2009
- Beste Regie: Nikolaus Leytner, “Ein halbes Leben”, ZDF
- Bester Film: “Mogadischu”, ARD
- Beste Schauspielerin: Senta Berger, “Schlaflos”, ARD
- Bester Schauspieler: Josef Harder, “Ein halbes Leben”, ZDF
- Beste Nebenrolle: Anna Fischer, “Die Rebellin”, ZDF; Florian Bartholomäi, “Bloch: Schattenkind”, ARD
- Beste Unterhaltung/Moderation: Thomas Gottschalk in “Wetten, dass..?” vom 13. Dezember 2008, ZDF
- Beste Doku: “Freundschaft! Die Freie Deutsche Jugend”, ARD
- Beste Info-Sendung/Moderation: Bettina Schausten/Christian Sievers, “ZDF-Wahlforum”
- Beste Sportsendung: Leichtathletik-WM, ZDF
- Beste Reportage: “Die Bombe”, ZDF
- Bestes Buch: Silke Zertz, “Wir sind das Volk”, Sat.1
- Beste Serie: “Der Lehrer”, RTL
- Beste Comedy: “TV-Helden”, RTL
- Bester Mehrteiler: “Wir sind das Volk”, Sat.1
- Förderpreise: die ganz jungen Darsteller in “Die Wölfe”, ZDF, sowie Eva Stotz für ihre Doku “Sollbruchstelle”, Arte
- Bester Schnitt: “Die Wölfe”, ZDF
- Beste Musik: “Ein Dorf schweigt”, ZDF
- Beste Ausstattung: “Die Wölfe”, ZDF
- Beste Kamera: “Tatort: Auf der Sonnenseite”, ARD
Und sie hatten Recht. Sicher, die Preise für Senta Berger (“Schlaflos”, ARD) und Josef Harder (“Ein halbes Leben”, ZDF) gingen in Ordnung - auch die Auszeichnung für Roland Suso Richters ARD-Drama “Mogadischu”, der große Bahnhof für “Bio” sowieso. Nur eines hatte er nicht verdient: die schnarchlangweilige Laudatio von Alice Schwarzer.
Aber in der Unterhaltung offenbarten sich Armut und Elend. Schlimm genug, dass Fernseh-Dino Thomas Gottschalk für “Wetten, dass..?” einen Preis als beste Show kassierte. Die beiden Preise für RTL-Produktionen darf der Kölner Privatsender getrost als Watschen verstehen. Die SitCom “Der Lehrer” schmorte vor der Ausstrahlung lange im Archiv, und die “TV-Helden” Jan Böhmermann, Caroline Korneli und Pierre M. Krause flimmerten gerade zwei Mal über die Bildschirme, bevor sie abgesetzt wurden.
Kein Wunder, dass es bereits bei der Preisverleihung sarkastische Kommentare gab. Auch bei der After-Show-Party grantelte “Wilsberg” Leonard Lansink: “Das Fernsehen muss mutiger werden.”
Rückkehr des Kabaretts
Pastewka und Engelke indes hatten Mut bewiesen. Als den ganz jungen Darstellern des ZDF-Dreiteilers “Die Wölfe” der Förderpreis über 30 000 Euro zuerkannt wurde, ätzte Pastewka: “Dös reicht ja fast für ein halbes Drehbuch von Doris Heinze.” Die geschasste Filmchefin des NDR hatte nicht nur ihrem Mann Aufträge für Drehbücher zugeschanzt. Obendrein hatte sie ihrem Sender noch eigene Drehbücher untergejubelt, die sie unter einem Pseudonym geschrieben hatte. Die Begeisterung über die humoristischen Anmerkungen von Pastewka und Engelke hielt sich bei dem ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust und bei NDR-Intendant Lutz Marmor in engen Grenzen.
Der scheidende “Polizeiruf”-Kommissar Edgar Selge freute sich darüber, “dass das Fernsehen wieder über sich selbst lachen kann”. “Tatort”-Fahnder Dietmar Bär schwärmte vom Comedy-Duo: “Großartig.” Seine Kollegin Tessa Mittelstaedt sah gar “die Rückkehr des Kabaretts”. Romantik-Experte Jan Sosniok meinte augenzwinkernd: “Ich musste kein einziges Mal zur Toilette und auch nicht dringend mal was trinken.” Selbst Hans Janke als ehemaliger Filmchef des ZDF gab der Gala gute Noten - und das, obwohl Pastewka und Engelke sich über die heimliche Liebe der Öffentlich-Rechtlichen zum Volksdümmlichen lustig gemacht hatten.
Was lange gärt
Erstaunlicherweise hatten Pastewka und Engelke keinen Hänger. Das tröstete Gastgeber Guido Bolten von Sat.1 darüber hinweg, dass sein Sender am Samstagabend nicht zu den Abräumern gehörte. Der Münchner Privatsender musste dem Zweiten mit zehn Trophäen und dem Ersten mit sieben den Vortritt. Ein schwacher Trost mag für Bolten sein, dass RTL mit nur zwei Preisen noch schlechter abschnitt.
Dennoch darf Bolten stolz auf sich sein. Der Sat.1-Chef straffte die Veranstaltung auf drei Stunden. Er ließ kurzerhand Preis-Kategorien streichen. Im vorigen Jahr hatte die Gala noch eine geschlagene Stunden länger gedauert. Und die vier Ausrichter der Gala - neben Sat.1 ARD, ZDF und RTL - wissen im Jahr eins nach dem Donnerwetter von Marcel Reich-Ranicki: Was länge gärt, wird endlich Wut.